Tageslosung
Die Herrnhuter Tageslosung
Hausgottesdienst am 7. Sonntag nach Trinitatis, den 26.07.2020
Parallel zum Live-Sommerkirchen-Gottesdienst Kirche Buchschlag, 10 Uhr
von Pfarrer Jochen-M. Spengler
Liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Sommerkirchengottesdienst in der Ev. Versöhnungsgemeinde Buchschlag-Sprendlingen. Schön, dass Sie mitmachen!
Ich hoffe, es geht Ihnen so gut wie möglich, und Sie können auch diesem Sommer 2020 trotz dem Corona-Schatten, der auf ihm liegt, schöne und sonnige Tage und Gedanken abgewinnen.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Hausgottesdienst, einen schönen Sonntag - und schon jetzt eine gute Woche!
Ihr Pfarrer Jochen-M. Spengler

Wir feiern unseren Hausgottesdienst:
Im Namen Gottes, der Quelle unseres Lebens, die uns gibt, was wir zum Leben brauchen.
Im Namen Jesu Christi, unserem Freund und Bruder, durch den uns Gott etwas von seinem Wesen und seiner Liebe zu uns Menschen gezeigt hat.
Und im Namen des heiligen Geistes, einer Kraft, die uns in Gemeinschaft zusam-menhält und an schönen Tagen so richtig glücklich macht - und an traurigen Tagen die Zuversicht nicht verlieren lässt. Amen.
Wir lesen Verse aus Psalm 18

Herzlich lieb hab ich dich, Herr, meine Stärke -
Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter,
mein Gott, mein Hort, auf den ich traue,
mein Schild und Berg meines Heils - und mein Schutz! -
Ich rufe an den Herrn, den Hochgelobten,
so werde ich vor meinen Feinden errettet.
Es umfingen mich des Todes Bande,
und die Fluten des Verderbens erschreckten mich.
Des Totenreichs Bande umfingen mich,
und des Todes Stricke überwältigten mich. -
Als mir angst war, rief ich den Herrn an
und schrie zu meinem Gott.
Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel,
und mein Schreien kam vor ihn zu seinen Ohren.
Er streckte seine Hand aus von der Höhe und fasste mich
und zog mich aus großen Wassern. -
Der Herr ward meine Zuversicht.
Er führte mich hinaus ins Weite, er riss mich heraus –
denn er hatte Lust zu mir. -
Der Herr lebt! Gelobt sei mein Fels!
Der Gott meines Heils sei hoch erhoben.
Darum will ich dir danken, Herr, unter den Heiden -
und deinem Namen lobsingen.

Lasst uns beten!

Gott, wir danken dir dafür, dass wir zusammen sind in unserem Sommerkirchengottesdienst in unserer Kirche in Buchschlag und in den Häusern beim Hausgottesdienst und jetzt darauf vertrauen können, dass du mitten unter uns bist.
Alles, was uns am heutigen morgen durch den Kopf geht, was uns froh macht oder auch traurig, ist in deiner Nähe gut aufgehoben. Wenn du da bist, Gott, dann ist das Schöne noch schöner und das Schwere nicht ganz so schwer. -
Gott, wir werden uns in diesem Gottesdienst Gedanken machen darüber, wem das Versprechen deiner Liebe gilt:
Ist das vor allem das Volk Israel, dein auserwähltes Volk, gilt das für die Christinnen und Christen in gleichem Umfang - oder liebst du alle Menschen ganz unabhängig davon, zu welcher Religion sie sich zugehörig fühlen? -
Eine weitere Frage, die es heute zu bedenken gibt, ist, wie es sich mit den Wegen in unserem Leben verhält, auf denen wir uns von dir, Gott, entfernt haben.
Manchmal haben wir schon bald bemerken müssen, dass unser selbst gewählter Weg ein Irrweg war und uns in eine Sackgasse geführt hat - und ein anderes Mal waren wir erst einmal ganz zufrieden mit unserer Entscheidung und haben erst viel später gemerkt, dass unser Weg kein guter war.
Können wir uns darauf verlassen, Gott, dass du uns aus den Sackgassen unseres Lebens wieder herausholst?
Können wir wieder zu dir zurückkehren, nachdem wir respektlos von dir weggelaufen sind? -
Gott, wir bitten dich: Gib uns nun kluge Gedanken, mache Verstand und Herzen weit - und tröste, stärke und beflügele uns jetzt, damit wir nachher mit frischen Kräften in die neue Woche gehen können. Das bitten wir dich, Gott, durch Jesus Christus, unseren Freund und Bruder.
Amen.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen!

Liebe Gemeinde,
in diesem Jahr haben wir Dreieicher Pfarrerinnen und Pfarrer uns nicht auf eine gemeinsame Überschrift für die erstmals sechs Gottesdienste der sog. „Sommerkirche“ festgelegt.
Ein paar Ideen gab es zwar, aber irgendwann waren wir uns einig, dass in diesem Jahr jeder und jede selbst entscheiden könne, was Thema des Sommerkirchengottesdienstes in der eigenen Gemeinde sein soll.
Ich war ganz zufrieden mit der Entscheidung, auch wenn ich mich in den letzten Jahren gerne mit den festgelegten Themen auseinandergesetzt habe. Gerade die Überschrift des vergangenen Jahres, „Komm, Herr segne uns…“, hatte mir gut gefallen und mir eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Segen beschert, von der ich sehr profitiert habe.
Aber freie Wahl zu haben, ist natürlich auch schön. -
Dachte ich mir.
Als ich mich dann aber ans Werk begeben habe, wurde ich schon bald unwirsch, weil ich mich einfach nicht entscheiden konnte, welches Thema oder welchen Text ich wählen will.
Irgendwie habe ich mich wie ein Kind gefühlt, das gelegentlich vorwurfsvoll seine Eltern fragt: „Muss ich heute schon wieder machen, was ich will?“
Oder ich kam mir vor wie in einem Restaurant, in dem mir eine Speisekarte in die Hand gedrückt wird, die mich in ihrem Umfang überfordert.
Was soll ich nur bestellen - um alles in der Welt, frage ich mich in solchen Situationen, denn viele Angebote klingen so vielversprechend, dass mir beim Lesen der Speisekarte schier das Wasser im Mund zusammenläuft.
Fast so erging es mir dann auch im Anlauf auf den heutigen Sommerkirchengottesdienst, liebe Gemeinde.
Was hatte ich da nicht schon alles im Visier - und um ein Haar hätte ich mich für einen Gottesdienst zum Thema „Hoffnung“ entscheiden und wollte dabei den großartigen Spielfilm „Lachsfischen im Jemen“ in den Mittelpunkt stellen.
Und dann kam es doch anders, wie mir das nicht selten passiert, wenn in einem Restaurant schließlich ein Kellner an unseren Tisch kommt und fragt, was es denn sein darf.
Dann höre ich mich Dinge bestellen, für die ich mich vorher eigentlich gar nicht entschieden hatte.
So auch im Falle unseres Gottesdienstthemas, liebe Gemeinde.
Zwar bin ich, um im Bild zu bleiben, bei einem Fischgericht geblieben - etwas, das sich in Sommertagen ja auch empfiehlt.
Aus dem Lachs ist allerdings im letzten Augenblick, aus welchen Gründen auch immer, ein Walfisch geworden - und ein ungehorsamer Prophet, der im Bauch dieses Walfisches gelandet ist.
Wollen wir einmal sehen, liebe Gemeinde, ob dieses Thema für uns zu einer erquickenden Sommerspeise werden kann: reich an Vitaminen und natürlich auch an wichtigen Omega-3-Fett-säuren.
Und beim Essen unseres Gerichts werden wir natürlich aufmerksam darauf achten, dass uns keine Gräte im Halse stecken bleibt.
Ich lese den Text: Jona 1,1-2 und 2,2-11

Es geschah das Wort des Herrn zu Jona, dem Sohn Amittais:
Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen. -
Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches
und sprach: Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme.
Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich,
dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen.
Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt.
Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!
Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den Herrn, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel.
Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade.
Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen. Hilfe ist bei dem Herrn.
Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.

Liebe Gemeinde,
bei diesem Text bekommen wir es mit dem sog. Dankpsalm des Jona zu tun.
In die Chronologie der Ereignisse der Jonageschichte passt dieser Dankpsalm eher nicht, denn Jona bedankt sich bei Gott für seine Rettung, die tatsächlich aber noch aussteht.
Die theologische Wissenschaft geht folglich davon aus, dass dieses Dankgebet des Jona nachträglich in die Jonageschichte eingefügt worden ist.
Und diese Geschichte, liebe Gemeinde, möchte ich uns nun aus meinem Gedächt-nis skizzieren. Dabei spielt sicherlich der biblische Text des Jonabuches eine Rolle - aber vor allem auch die Bilder aus unserer Kinderbibel.
Meine Geschwister und ich hatten nämlich eine ganze Reihe von biblischen Bilderbüchern - ich meine, es wären sieben oder acht gewesen - und jedes dieser großformatigen Bücher brachte uns eine Geschichte näher.
An das Buch mit der Jonageschichte kann ich mich noch gut erinnern: Wie bei allen Büchern beschränkte sich der Text auf wenige Sätze - und die für uns Kinder beeindruckenden Bilder transportierten die Botschaft und weckten unsere Gefühle. -
Die Jonageschichte geht damit los, dass Gott Jona ben Amittai, also den Sohn des Amittai, damit beauftragt, nach Ninive zu reisen, um den Einwohnern dieser Stadt ins Gewissen zu reden, denn „ihre Bosheit ist groß“, wie es im biblischen Text heißt.
An die Darstellung von Jona und von Gott in meinem Bilderbuch kann ich mich nicht mehr erinnern, liebe Gemeinde, wohl aber an das Bild von den bösen Menschen in Ninive:
Dunkle und böse Gesichter waren da zu sehen und Menschen die mit Knüppeln aufeinander einschlugen.
Das beeindruckte mich sehr und ließ mich erschaudern.
Zugleich machte sich aber sicherlich auch das gute Gefühl in mir breit, Gott sei Dank nicht zu solchen finsteren Gestalten zu gehören, sondern zu den Guten, zu denen, an den Gott sein Wohlgefallen hat.
Und das, auch wenn ich gelegentlich mit meinem Verhalten an dem vorbeischrammte, was von Gott und meinen Eltern für wünschenswert gehalten wurde.
Aber so schlimm und böse wie die aus Ninive war ich eben allemale nicht, liebe Gemeinde! -
Jona bekommt es mit der Angst zu tun, als er hört, dass er zu den gottlosen Niniviten soll - und dann auch noch versehen mit einem unangenehmen Auftrag: Ins Gewissen soll er ihnen reden und das Gericht seines Gottes ankündigen.
„Sie werden mich auslachen“, wird er sich gedacht haben - „und das wird noch das kleinste Übel sein. Wahrscheinlich werden sie mich aus ihrer Stadt herausprügeln!“
Als Kind konnte ich Jonas Entscheidung, die Flucht zu ergreifen, vor diesem Hintergrund bestens verstehen und erinnere mich noch gut daran, wie aufgeräumt mir das Bild erschien, auf dem Jona im Hafen stand und sich ein Schiff aussuchte, mit dem er fliehen wollte.
Aber, liebe Gemeinde, die meisten von Ihnen wissen das ja: Das mit Jonas Flucht ging gründlich schief.
Bis ans Ende der Welt wollte er fliehen, nach Tarsis, das damals als Ort galt, der ganz weit im Westen gelegen das Ende der Welt markierte. Weiter entfernt von dem östlich angesiedelten Ninive ging es nicht mehr.
Als Kind kam mir der Plan von Jona tatsächlich kindisch vor, denn zumindest von meinen Großmüttern hatte ich doch gelernt, dass Gott alles sieht und alles weiß. Meine Eltern übrigens haben das nicht ganz so drastisch formuliert - in der Sache aber waren sie sicherlich der gleichen Meinung.
Wie kann man also vor einem Gott weglaufen, der doch sowieso weiß, wohin die Reise geht und wo man sich verstecken will… - so etwas erschien mir bereits als Kind wenig durchdacht.
Und die Flucht kam ja auch schon bald zu einem jähen Ende: Ein schwerer Sturm kam auf, und Jona und die Seeleute auf dem Schiff mussten um ihr Leben fürchten.
Da kolossale Naturereignisse damals - und bei einigen Menschen trotz aller Bemühungen der Naturwissenschaften ja bis in die Gegenwart - mit dem Wirken Gottes in Verbindung gebracht wurden und werden, war auf dem Schiff schnell klar: Diesen Sturm hat Gott geschickt.
Und um welchen Gott es sich handelt, war spätestens dann herausgefunden, als Jona sein Fluchtgeständnis abgelegt hatte.
In meiner Bilderbibel hatten die Seeleute freundliche Gesichter, liebe Gemeinde, wenn ich mich recht erinnere.
Und sie blieben ja auch eine ganze Weile lang geduldig und gutmütig - auch wenn die Wellen schon hochschlugen und das Schiff zu kentern drohte. Ja, sie fragten Jona sogar, wer sein Gott sei, und riefen Jahwe, den Gott des Jona um Hilfe an - und das, obwohl sie offensichtlich keine Juden waren sondern Ungläubige, wie man sie damals nannte.
Als Kind beeindruckte mich das sehr, und dem Erzähler der Jonageschichte ist diese Szene ebenfalls außerordentlich wichtig, denn er will damit dem Volk Israel vor Augen halten, dass sich Fremde, Andersreligiöse würde man heute sagen, ebenfalls ganz intensiv und innig Gott zuzuwenden können.
Mit noch größerer Wucht wird später die Reue und Begnadigung der Menschen in Ninive durch den Gott der Israeliten den jüdischen Erwählungsglauben erschüttern: Wie kann Gott, der doch das Volk Israel auserwählt hat, auch andere Völker mit ihren Religionen so lieben wie das eigene?
Gilt Gottes Liebe tatsächlich allen Menschen - oder bleibt doch immerhin wenigstens ein Minimalunterschied, wie der zwischen eigenen Kindern und adoptierten? -
Bei allem Respekt davor, liebe Gemeinde, dass das Volk Israel Gottes auserwähltes Volk ist, was unsere Landeskirche, die Ev. Kirche in Hessen und Nassau in ihrem Grundartikel auch unmissverständlich bezeugt und unterstreicht, glaube ich, dass Gott alle Menschen, alle Geschöpfe in gleichem Maße innig liebt - und das mit gro-ßer Geduld und weitem Herzen.
Und selbst die kleinsten Abstufungen von Liebe - wie vielleicht bei der Liebe zu den eigenen- und den Adoptivkindern - kann ich mir bei Gott nicht vorstellen.
Übrigens bei manchen Eltern auch nicht. -
So freundlich die Seeleute in meiner Kinderbibel dargestellt waren, so unfreundlich geht die Fluchtgeschichte des Jona weiter:
Er wird über Bord geworfen - und das auf eigenen Wunsch.
Offensichtlich merkt er, wie unsinnig es war, vor Gott und seinem Auftrag wegzulau-fen, und möchte die unschuldigen Seeleute nicht mit in den Abgrund seiner Auseinandersetzung mit Gott ziehen.
In dieser Situation hat Jona mein ganzes Mitgefühl: Er tut mir wirklich leid, dass er sich so verrannt hat, und nun so schwer büßen muss.
Hätte Gott nicht einen gnädigeren Fortgang der Geschichte finden können - oder braucht es in gewissen Situationen im Leben von uns Menschen tatsächlich auch erheblichen Druck, damit wir umkehren und uns nachhaltig ändern? -
Liebe Gemeinde, schon als Kind hat mich die ganze Sequenz mit dem Walfisch, der den Propheten verschluckt und schließlich auf Gottes Anweisung rettet und an Land spuckt, nicht sonderlich berührt.
Das war für mich ein erhebliches Zuviel an Märchen, als das es mich noch hätte zum Träumen bringen können.
Das Happy End des Jona-Märchens bestand für mich eher darin, dass die Bilderbibel mir zeigte, wie Jona - durch all die Erlebnisse geläutert - nun wieder folgsam geworden war und den Auftrag Gottes erfüllte: Er ging zu den bösen Niniviten, las ihnen mit ganz kurzen Worten die Leviten - und die taten unverzüglich Buße.
Nun war meine Kinderseele beruhigt: Alles war wieder in Ordnung und zwischen Gott und den Menschen herrschte Friede.
Hätte damals ein Kinderpsychologe beim Lesen der Kinderbibel neben mir gesessen, hätte er mich vielleicht freundlich gefragt: „Gell, dir tut es gut, wenn du das Gefühl hast, ein gehorsames Kind zu sein. Stimmt’s?“
Und ich hätte ihn dann wahrscheinlich mit großen Augen angesehen und nach einer Weile still genickt.
Denn so ein Kind war ich nun einmal, liebe Gemeinde, und so ein Kind bin ich heute ja immer noch - auch wenn ich in meinem Erwachsenenleben präziser weiß, wo mein Gehorsam enden muss, weil es wichtigeres gibt für mich, als gehorsam zu sein.
Aber die Sehnsucht nach einer heilen Welt, die heil ist, weil ich so oft wie möglich tue, was von mir verlangt wird, ist geblieben - so ungesund das manchmal sein kann.
Jona hingegen hat ein ganz anderes Naturell als ich - er bleibt aufmüpfig gegen seinen Gott und beschwert sich bitter darüber, dass er den bösen Menschen von Nini-ve vergibt.
Diesen merkwürdigen Schluss der Jonageschichte, in dem auch eine Rizinusstaude eine Rolle spielt, die Gott wachsen lässt, damit sie Jona in der Glut des Nahen Os-tens Schatten spende, um sie dann nach 24 Stunden wieder verdorren zu lassen, habe ich als Kind völlig ausgeblendet.
Diese nachhängenden Scharmützel störten mich nur dabei, mich im großen Ganzen der Jonageschichte wohlzufühlen. Und dieses Große und Ganze hieß für mich:
Gott verlangt in meinem Leben etwas von mir.
Und das sollte ich auch versuchen zu leisten.
Weglaufen nützt nichts.
Aber selbst, wenn ich Gott davongelaufen bin, darf ich wieder zu ihm kommen.
Und mehr noch:
Er selbst wird mich zurückholen, wenn’s nötig ist, und wird mich mit offenen Armen empfangen - so wie der Vater in der Geschichte „Vom verlorenen Sohn“ seinen Sohn herzlich empfängt. -
Liebe Gemeinde,
die Gräte, die mir den Genuss des sommerlichen Fischgerichts der Jonageschichte - wie ich das vorhin genannt habe - etwas vermiest, ist, dass die theologische Bewertung dieser Erzählung fast nur eine Funktion zuweist:
Diese Geschichte gibt es, weil die Universalität der Liebe Gottes zu den Menschen betont werden soll.
Es gibt nicht das auserwählte Volk Israel, dann lange nichts und dann folgen die an-deren - sondern Gott ist jedem und jeder herzlich zugewandt, der und die die Hände nach ihm ausstreckt.
Für mich ist dieser Glaubensgrundsatz so selbstverständlich, dass ich eigentlich keine biblische Geschichte brauche, die mir dieses Prinzip illustriert und nahebringt.
Das neutestamentliche „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave und Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt eins in Jesus Christus!“ habe ich sozusagen mit der Muttermilch aufgenommen.
Zumindest in der Theorie, denn in der Praxis bleibt natürlich auch bei mir Skepsis und gelegentlich auch eine protestantische Besserwisserei, die Glaubensbemühun-gen anderer Menschen abwertet und deren Glaube böswillig verunglimpft.
Wer gibt mir das Recht dazu, Glaubensgeschwister abergläubisch zu nennen, wenn sie anders glauben als ich?
Warum tue ich das denn:
Um der Wahrheit willen?
Oder weil ich eifersüchtig um Gottes Liebe buhle, die ich mehr verdient zu haben meine, weil ich für meinen Glauben ein höheres Reflektionsniveau annehme, als das in meinen Augen manche anderen tun dürften? Und dabei denke ich auch an die Mitglieder mancher freikirchlichen Gemeinden, die ich in meinen Gedanken naiv nenne - und ihre Praktiken gelegentlich Hokuspokus.
Warum gehe ich denn nicht davon aus - zumindest solange sie nicht offensichtlich gefährlich und berechnend sind, dass sie mit gleicher Hingabe, mit gleicher Begeis-terung an ihren Gott glauben - und genauso unvollkommen und tollpatschig - wie ich das tue?
Die Jonageschichte, liebe Gemeinde, ermahnt mich, meine Einstellung zu Menschen zu überprüfen, die anders glauben als ich: innerhalb des Christentums und auch außerhalb.
Denn der Gott, an den ich glaube und auf den ich hoffe, zieht keine Grenzen und schließt niemanden aus.
Ich möchte trainieren, das auch immer öfter ebenfalls tun zu können.
Und das wird sicherlich mühselig, so wie es eben mit Gräten ist, die man geduldig und vorsichtig aufspüren und dann entfernen muss.
Die Jonageschichte predigt mir aber heute daneben auch noch etwas anders, liebe Gemeinde:
Wie ein schöner Sommertag mir viel Licht, Wärme und manchmal auch Aufbruchsstimmung schenkt, so beschert mir diese Geschichte das Versprechen, dass Gott bei mir ist:
interessiert an meinem Leben und an dem, was ich tue - und nicht tue;
besorgt, wenn ich mit meinem Leben in die falsche Richtung steuere - vielleicht, weil ich vor Anforderungen fliehen möchte, die mir zu groß sind;
konsequent, indem er mich gelegentlich auf einen neuen Kurs stellt, bei dem ich auch erst einmal ins Schwimmen geraten kann - aber mit Gott an meiner Seite gehe ich niemals unter!
Und schließlich ganz und gar liebevoll und barmherzig und mit einer großen Wertschätzung für uns, liebe Gemeinde, die wir mitunter doch eigentlich gar nicht so richtig verdienen.
Aber Gott stellt zu jeder Zeit und über alles:
Du bist mein geliebtes Geschöpf, an dem ich mich von Herzen freue! Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Lasst uns beten!
Gott,
wir danken dir dafür, dass du so liebevoll und großzügig zu uns bist:
Wie ein liebender Vater und eine liebende Mutter empfängst du uns immer wieder mit offenen Armen, auch wenn wir von dir weggelaufen sind - manchmal dorthin, wo wenig Gutes zu finden ist und wo wir uns vielleicht sogar in Schuld und Sünde verfangen.
Du gibst uns immer wieder eine neue Chance und freust dich mit uns über einen neuen Anfang.
Deshalb, Gott, lass uns von deiner Großzügigkeit lernen und auch selbst immer öfter weitherzig mit anderen Menschen umgehen: auch wenn sie anders denken, auch wenn sie anders leben, auch wenn sie anders glauben.
Sie sind deine Kinder, wie wir auch, sie sind unsere Schwestern und Brüder. -
Gott, wir bitten dich heute besonders für all die Menschen, denen es sehr schwerfällt von einem Irrweg ihres Lebens umzukehren. Rette sie - wenn es sein muss mit so etwas wie mit einem Walfisch - und lass sie uns bei ihrem Neuanfang unterstützen, so gut wir das können. -
Und natürlich, Gott, bitten wir dich auch heute wieder für all die Menschen, die in schwieriger Lage sind:
Weil sie sehr ernst krank sind,
weil sie traurig sind, vielleicht in großer Trauer,
weil sie verzweifelt sind und jeder Blick zur Hoffnung versperrt ist -
oder weil sie in ihren Ängsten gefangen sind und kaum noch Farben sehen können in ihrem Leben.
Gott, lass uns dort helfen, wo wir das können - und lass all die Menschen in Not deine Liebe spüren und tröste und stärke sie.

In unserem stillen Gebet können wir dir, Gott, all das anvertrauen, was uns auf dem Herzen liegt...
Wir bitten um Gottes Segen!

Der Herr segne uns und behüte uns;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns
und sei uns gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf uns
und gebe uns Frieden.
Amen.