Tageslosung
Die Herrnhuter Tageslosung
Hausgottesdienst am 1. Sonntag nach Weihnachten, den 27.12.2020

J.S. Bach, Oboenkonzert d moll
Liebe Gemeinde,
ich begrüße Sie herzlich zum Gottesdienst, heute am ersten Sonntag nach Weihnachten - oder wie manche auch sagen: am Sonntag „zwischen den Jahren“.
Eigentlich bin ich davon ausgegangen, diesen Gottesdienst in unserem Sprendlinger Gemeindezentrum zu halten - „live und in Farbe“.
Angesichts der angespannten Lage in der Corona Pandemie, den hohen Infektionszahlen und traurig vielen Todesfällen hat der Kirchenvorstand beschlossen, alle Gottesdienste nach Heiligabend und dem ersten Feiertag bis Ende Januar auszusetzen und stattdessen Hausgottesdienste auf unserer Homepage anzubieten - wie schon im Frühjahr. Wir bitten Sie um Verständnis für unsere Entscheidung, die wir für unbedingt nötig halten. -

Liebe Gemeinde,
der Heiligabend liegt hinter uns und auch die Feiertage.
Vieles war ganz anders an diesem Weihnachtsfest, als wir das gewohnt waren.
Ich hoffe dennoch, dass der Segen von Weihnachten Raum hatte, sich ein wenig in Ihren Herzen zu entfalten.
In diesem Hausgottesdienst möchte ich zusammen mit Ihnen noch ein bisschen dem Weihnachtswunder nachspüren. Dazu werde ich Ihnen im weiteren Verlauf eine Geschichte vorlesen, die als Audio-Datei einfach nur anzuklicken ist.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Hausgottesdienst und einen schönen Sonntag und eine gute Woche.
Und ganz fest wünsche ich mir, dass das neue Jahr, das in ein paar Tagen anbricht, Schritt für Schritt etwas leichter wird als das schwierige und belastende Jahr 2020.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Pfarrer Jochen-M. Spengler
Wir feiern unseren Gottesdienst:
Im Namen Gottes, der Quelle unseres Lebens, die uns gibt, was wir zum Leben brauchen.
Im Namen Jesu Christi, unserem Freund und Bruder, durch den uns Gott etwas von seinem Wesen und seiner Liebe zu uns Menschen gezeigt hat.
Und im Namen des heiligen Geistes, einer Kraft, die uns in Gemeinschaft zusammenhält und an schönen Tagen so richtig glücklich macht - und an traurigen Tagen die Zuversicht nicht verlieren lässt. Amen.

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht,
und über denen, die da wohnen im finstern Lande,
scheint es hell.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben,
und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter;
und er heißt Wunder-Rat; Gott-Held;
Ewig-Vater, Friede-Fürst;
auf dass seine Herrschaft groß werde
und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids
und in seinem Königreich,
dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.
Lasst uns beten!
Gott,
die Feiertage liegen hinter uns, und so langsam kommt der Alltag wieder in Sicht, ein Alltag, der in diesem zu Ende gehenden Jahr manche Veränderung für uns gebracht hat.
Der Weg durch das Jahr war durch all die Belastungen, die die Corona Pandemie mit sich gebracht hat, nicht leicht - und dennoch schaue ich dankbar auf all das, was schön war in diesem Jahr 2020:
Die Begegnungen mit Menschen, der Austausch - ob mit Maske von Angesicht zu Angesicht oder am Telefon oder per Mail.
Ich bin froh, dass ich genug zu essen hatte, ein Dach über dem Kopf - und trotz aller Einschränkungen auch ein reiches Maß an Abwechslung und Unterhaltung.
Und in all den Monaten konnte ich oft spüren, wie nah du bei uns bist, Gott.
Gott, wir bitten dich:
Sei jetzt bei uns, wenn wir unseren Hausgottesdienst feiern: vielleicht im Wohnzimmer, im Arbeitszimmer oder am Küchentisch.
Mache unsere Herzen weit für deine frohe Weihnachtsbotschaft und stärke unser Vertrauen in dich, damit wir getrost den Weg in die nächsten Wochen antreten im festen Bewusstsein, von guten Mächten wunderbar geborgen zu sein.
Das alles bitten wir dich, Gott, durch Jesus Christus, unseren Freund und Bruder.
Amen
Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16,1-4)
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Amen.

Liebe Gemeinde,
ich möchte Ihnen nun eine Geschichte vorlesen, die die biblische Weihnachtsgeschichte phantasievoll ausmalt.
Mir gefällt diese Erzählung gut - auch wenn in ihrem Mittelpunkt ein mürrischer Mensch steht, der erst einmal gar nichts von froher Botschaft und Weihnachtsfreude wissen möchte.
Aber vielleicht ist es ja gerade das, was mich anspricht - und den Teilen in mir einen gewissen Frieden schenkt, die sich auch nicht sofort in die Größe des Weihnachtswunders fallen lassen können, sondern erst einmal ein wenig skeptisch am Rande stehen bleiben.
Diese Geschichte habe ich übrigens vor vielen Jahren in einem Gemeindebrief einer unserer Nachbargemeinden gefunden.
Ein Autor war nicht genannt - ebenfalls fehlte eine Überschrift.
So habe ich mir selbst eine Überschrift gesucht.
Und diese Geschichte heißt jetzt:


„Mir ist heute der Heiland geboren“

Es war einmal ein Hirte, der lebte auf einem Felde in der Nähe von Bethlehem.
Er war groß und stark - aber er hinkte und konnte nur an Krücken gehen. Darum saß er meistens mürrisch am Feuer und sah zu, dass es nicht ausging.
Die anderen Hirten fürchteten ihn.
Als den Hirten in der heiligen Nacht ein Engel erschien und die frohe Botschaft verkündigte, da wandte er sich ab.
Und als sich die anderen aufmachten, das Kind zu finden, so wie es ihnen der Engel gesagt hatte, blieb er allein am Feuer zurück.
Er schaute ihnen nach, sah, wie das Licht ihrer Lampen kleiner wurde und sich in der Dunkelheit verlor.
„Lauft - lauft ihr nur!“, murmelte er vor sich hin. „Was wird schon sein?
Ein Spuk, ein Traum. Pah!“ -
Die Schafe rührten sich nicht.
Die Hunde rührten sich nicht.
Er hörte nur die Stille.
Er stocherte mit der Krücke in der Glut.
Er vergaß, frisches Holz aufzulegen. -
„Und wenn es kein Spuk, kein Traum wäre?“, ging es ihm durch den Kopf.
Plötzlich raffte er sich auf, nahm seine Krücken unter den Arm und humpelte davon - den Spuren der anderen nach.
Als er endlich zum Stall kam, dämmerte bereits der Morgen.
Der Wind schlug die Tür auf und zu. Ein Duft von fremden Gewürzen hing in der Luft. Der Lehmboden war von vielen Füßen zertreten.
Er hatte den Ort gefunden.
Aber wo war nun dieses Kind: der Heiland der Welt, der Christus, der Herr in der Stadt Davids?!
Er lachte hämisch.
Natürlich war alles eine Einbildung gewesen, eine Phantasie aus der Not geboren: den Verkündigungsengel und seine Botschaft gab es gar nicht.
Schadenfroh wollte er schon umkehren, da entdeckte er die kleine Kuhle, wo das Kind gelegen hatte, sah das Nestchen im Stroh.
Und da wusste er nicht, wie ihm geschah. -
Er kauerte vor der Krippe nieder.
Alles Mögliche ging ihm durch den Kopf und etwas wurde ihm dabei immer deutlicher:
Was machte es schon aus, dass ihm das Kind jetzt nicht zulächelte, dass er den Gesang der Engel nicht hörte und die glänzenden Augen Marias nicht bewundern konnte.
Und was machte es aus, dass er nun nicht mit den anderen in Bethlehem durch die Straßen ziehen und von dem Wunder erzählen konnte!
Das alles war gar nicht wichtig für ihn.
Was ihm widerfahren war, konnte er nicht mit Worten beschreiben! -
Staunend ging er davon. Er wollte das Feuer wieder anzünden, bevor die anderen Hirten zurückkamen.
Doch als er eine Weile gegangen war, merkte er, dass er seine Krücken bei der Krippe vergessen hatte. Er blieb stehen.
Er drehte sich langsam um und wollte zurückgehen, um sie zu holen.
Er wartete einen Augenblick.
Dann wendete er sich wieder um und machte sich auf seinen Weg zu den Feldern Bethlehems.
Seine ersten Schritte waren jetzt wackelig, aber dann ging er mit immer festeren Schritten.

Soweit diese Geschichte, liebe Gemeinde.
Vor ihrem Hintergrund könnte die Weihnachtsbotschaft in diesem Jahr, in diesem schwierigen Coronajahr 2020 - vielleicht in besonderem Maße heißen:
Wendet euch bloß nicht ab von dieser frohen Botschaft, gebt dem Licht von Weihnachten eine echte Chance dort hineinzuleuchten, wo es in eurem Leben dämmrig oder dunkel ist.
Und lasst auch der Freude in euch Raum!
Denn:
Wer Hoffnung, Gelegenheit zu Veränderungen im Leben - wer Liebe zum Nächsten, zu sich selbst, zu Gott nichts zutraut und für Spuk und Träumerei hält, der wird fast unweigerlich gefangen bleiben im Murren über die Welt und das Leben - und schließlich zynisch werden. -
Ich habe ihn direkt vor Augen, liebe Gemeinde, diesen grantigen und mürrischen Hirten aus der Geschichte.
Nur allzu gut kann ich mich in ihn hineinversetzen:
Gute Nachrichten machen auch mich erst einmal skeptisch, und diejenigen, die sich sofort von einer guten Nachricht begeistern lassen und in Bewegung geraten, nenne ich manchmal gutgläubig, leichtsinnig oder gar naiv.
Wahrscheinlich beneide ich sie im tiefsten Innersten, weil sie so begeisterungsfähig und spontan sind.
Ich selbst halte mich lieber erst einmal an dem fest, was sich bewährt hat - und sei es das Murren über die Welt und mein Dasein.
Dass der Hirte sich dann aber doch einen Ruck gibt und Richtung Krippe aufbricht, macht mir Mut.
Warum sollte ich das nicht auch schaffen können!
Sollte derjenige, der den mürrischen Hirten in Bewegung gebracht hat, nicht auch meine Trägheit und Angst überwinden helfen?
Und die Geschichte gibt noch weiteren Anlass zur Zuversicht:
Man muss gar nicht pünktlich kommen in diesen Stall von Bethlehem!
Auch für Zuspätkommerinnen und Zuspätkommer hält Gott das unbeschreibliche Wunder von Weihnachten bereit.
Wann auch immer der Aufbruch dorthin erfolgt, die frohe Botschaft bleibt aktuell und gültig.
Und diese Botschaft heißt:
Du, Mensch, bist mir so wichtig, dich habe ich so lieb, dass ich, Gott, Mensch werde, mit allen Lasten und Problemen, um dir nahe zu sein, um an deiner Seite den Weg durchs Leben zu gehen.
Du musst mich aber lassen, und günstig wäre es, wenn auch du einen kleinen Schritt auf mich zugehst, damit wir uns die Hände reichen können. -
Liebe Gemeinde,
ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, mir jedenfalls hat diese Weihnachtsgeschichte von dem mürrischen Hirten gut gefallen.
Was den Schluss der Geschichte anbetrifft, so will ich ehrlich zugeben, dass der mir fast ein bisschen zu großartig ist.
Der Hirte vergisst seine Krücken im Stall von Bethlehem und kann nach seinem wunderbaren Weihnachtserlebnis nun ohne Krücken laufen - zwar unsicher noch aber immerhin.
Mir hätte ein Ende genügt, bei dem er mit seinen Krücken den Weg in den Alltag angetreten hätte.
Und ich sehe ihn förmlich auf seinem Weg ab und zu anhalten, lächeln - und einmal nimmt er sogar eine Krücke in die Hand und winkt fröhlich mit ihr.
Wem winkt er eigentlich zu - es ist doch niemand zu sehen?
Ich könnte mir vorstellen, dass er seiner eigenen Zukunft fröhlich zuwinkt.
Und dann sagt er laut und deutlich. „Mir ist heute der Heiland geboren!“
Danach klemmt er die Krücke wieder unter den Arm und setzt seinen Weg fort.
Vielleicht summt er eine Melodie dabei. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Ich steht an deiner Krippen hier (EG 37,1-4.8+9)
Lasst uns beten!

Gott, wir danken dir dafür, dass du an der Krippe wartest auf uns.
Gerade in diesen Zeiten, in denen wir uns mit unseren Gedanken manchmal verlaufen und verspätet zur Hoffnung und zur Zuversicht finden, harrst du mit Engelsgeduld aus, bis wir zu dir finden.
Und denen, die dich von alleine nicht mehr finden können, denen gehst du entgegen, nimmst sie an der Hand und gehst mit ihnen dorthin, wo Geborgenheit und Frieden auf sie warten.
Gott wir bitten dich:
Lass uns vertrauensvoll deine Hand nehmen, die du uns auch in diesen Weihnachtstagen im Jahr 2020 reichst, und dann gehen wir gemeinsam los Richtung 2021, für das wir deinen Segen erwartungsvoll erbitten. -
Gott, wir denken heute besonders an Menschen, die in diesen Tagen in Not sind:
an sehr ernst kranke,
an solche, die kaum genügend Mittel zu Leben haben - hier bei uns und anderswo,
an traurige und verzweifelte
und an Menschen, deren Seelen sich so verausgabt haben, dass sie keine Kraft mehr haben zu glauben, zu hoffen und zu lieben.
Gott, lass uns überall dort helfen, wo wir das können - und sei du dort, wo wir mit unseren Möglichkeiten nicht mehr weiter wissen.

In unserem stillen Gebet können wir dir, Gott, all das anvertrauen, was uns auf dem Herzen liegt...
O du fröhliche (EG 44,1-3)
Wir bitten um Gottes Segen!

Der Herr segne uns und behüte uns;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.
Verleih uns Frieden gnädiglich (Version: Matthias Nagel - EG+ 142)