Tageslosung
Die Herrnhuter Tageslosung
Hausgottesdienst am 1. Sonntag nach Ostern, den 11.04.2021

von Pfarrer Jochen-M. Spengler
Concerto in D minor nach Alessandro Marcello, BWV 974: II. Adagio
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat
zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
Begrüßung zum Mithören
Liebe Gemeinde,
ich begrüße Sie herzlich zu unserem heutigen Hausgottesdienst am ersten Sonntag nach Ostern. Ich freue mich, dass Sie mitfeiern - und ich freue mich auch darauf, möglichst bald wieder in unserem Gemeindezentrum und in unserer Kirche mit Ihnen Gottesdienste feiern zu können.
Ich hoffe, dass das ab Anfang Mai wieder möglich sein wird. -
Das Osterfest in diesem Jahr fand ich noch eigenartiger als im letzten, als wir von der Corona Krise und den Lockdownmaßnahmen schier überrollt wurden.
Damals dachte ich, dass der Corona-„Unfall“ bald überstanden sein würde, und bin fest davon ausgegangen, dass wir in diesem Jahr wieder wie gewohnt unsere Gottesdienste von Palmsonntag bis Ostersonntag würden feiern können: Palmsonntag als Gottesdienst im Kreis, Gründonnerstag mit Tischabendmahl, Karfreitag mit Abendmahl - und am Ostersonntag die Osternachtsfeier frühmorgens und danach den Ostergottesdienst. Leider ist es ganz anders gekommen.
Was bleibt uns anderes übrig, als weiter geduldig zu bleiben und darauf zu hoffen, dass durch die Impfmaßnahmen das Licht am Ende des Tunnels irgendwann heller werden wird. Wie groß wird die Freude sein, wenn wir dann tatsächlich aus dem Tunnel herausgekommen sein werden! Derzeit erlaube ich mir noch nicht, mir das vorzustellen, denn es würde mich zu ungeduldig machen.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Jochen-M. Spengler
Wir feiern unseren Hausgottesdienst:
Im Namen Gottes, der Quelle unseres Lebens, die uns gibt, was wir zum Leben brauchen.
Im Namen Jesu Christi, unseres Freundes und Bruders, der an unserer Seite ist in Freud und in Leid -
und im Namen des heiligen Geistes, einer Kraft, die uns fest zusammenhält - auch jetzt in dieser Zeit, in der wir räumliche Distanz einhalten müssen. Amen.


Wir lesen Verse aus Psalm 116:

Das ist mir lieb, dass der Herr meine Stimme und mein Flehen hört.
Denn er neigte sein Ohr zu mir; darum will ich mein Leben lang ihn anrufen.
Stricke des Todes hatten mich umfangen,
des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not.
Aber ich rief an den Namen des Herrn: Ach, Herr, errette mich!
Der Herr ist gnädig und gerecht, und unser Gott ist barmherzig.
Der Herr behütet die Unmündigen; wenn ich schwach bin, so hilft er mir.
Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn der Herr tut dir Gutes.
Denn du hast meine Seele vom Tode errettet,
mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.
Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.
Ich will den Kelch des Heils erheben und des Herrn Namen anrufen.

Lasst uns beten!
Gott, wir danken dir dafür, dass wir jetzt Hausgottesdienst feiern können an diesem ersten Sonntag nach dem Osterfest.
Für viele von uns war es zum zweiten Mal ein schwieriges und ungewohntes Ostern, das sehr unter den Einschränkungen der Corona Krise zu leiden hatte.
Und dennoch habe zumindest ich für kostbare Augenblicke tief in meinem Herzen fühlen können, wie wunderbar es ist, sich in der großen Hoffnung auf ein ewiges Leben gebogen fühlen zu dürfen. Dafür danke ich dir Gott - und ich bitte dich:
Sei nahe bei uns in diesen anstrengenden Zeiten, stärke unsere Geduld - und lass die Hoffnungen in unseren Herzen immer wieder farbenprächtig aufblühen.
Amen.
Schriftlesung aus dem Neuen Testament: Johannes 21,1-14

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:
Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.
Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.
Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.
Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!
Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische.
Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.


- Stille Zeit -

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,
den Predigttext für den heutigen Sonntag haben Sie eben als Schriftlesung gehört oder gelesen. Ich möchte ihn in meiner Ansprache nicht auslegen, erklären oder kommentieren. Er möge für sich selbst sprechen.
Vielleicht aber doch immerhin so viel:
Der detailreiche Bericht über das Erscheinen des auferstandenen Jesus am See Tiberias hat m.E. nur eine Funktion: Er soll die Auferstehung unter Beweis stellen!
Dazu werden Augenzeugen benannt - allen voran der prominente Jünger Petrus und der im Johannesevangelium fünfmal erwähnte „Jünger, den Jesus lieb hatte“ - und damit könnte Johannes gemeint sein.
Und es wird Bezug genommen auf die Berichte von der Berufung der ersten Jünger beim Fischen und auch auf Mahlfeiern Jesu mit seinen Jüngern - besonders an dem Tag, den wir heute Gründonnerstag nennen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Gemeinde, aber ich bin schon lange nicht mehr auf der Suche nach Beweisen für die Wunder Gottes: Ich bestaune sie, ich bewundere sie - und ich bin sehr verwundert über sie, wie es auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu waren.
Beweise helfen mir und meinem Glauben nicht weiter - auch nicht meinem Auferstehungsglauben.
Denn Beweise können bestenfalls meinen Kopf überzeugen, also meinen Verstand – nicht aber mein Herz.
Auch wenn ein Glaube nicht ohne Verstand auskommen kann, so sind es aber doch vor allem meine Gefühle, die meinen Glauben stärken und meine Überzeugung, dass „bei Gott nichts unmöglich“ ist - auch nicht die Auferstehung der Toten.
Das Herz spielt also bei meinem Glauben eine wichtige Rolle, und das gilt auch für die großen christlichen Feste im Kirchenjahr.
Natürlich steht im Hintergrund eines Festes auch immer eine theologische Botschaft, die den Grund benennt, warum wir feiern - und was wir feiern. Diese theologische Einordnung aber bliebe für mich blutleer, wenn ich sie nicht mit klopfendem Herzen umarmen würde mit meinen Gefühlen.
Nehmen wir das Osterfest, das wir vor ein paar Tagen gefeiert haben - so gut das in dieser Coronazeit eben ging.
Theologisch trägt es Aufschrift:
„Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein, Kyrieleis.“
So ist es unter der Nummer 99 in unserem Gesangbuch zu finden, und dieses Lied ist das Osterlied schlechthin!
Ein Lied später, also Nummer 100, finden wir dann eine fröhliche Melodie, die einen Text zum Schwingen bringt, der noch etwas weiter geht in seiner Deutung des Ostergeschehens:
„Wir wollen alle fröhlich sein in dieser österlichen Zeit … Er hat zerstört der Höllen Pfort, die Seinen all herausgeführt und uns erlöst vom ewgen Tod … Es singt der ganze Erdenkreis dem Gottessohne Lob und Preis, der uns erkauft das Paradeis.“
Ich gehe einmal davon aus, liebe Gemeinde, dass mir bereits in meiner Kindheit in meinem Elternhaus und in den sonntäglichen Kindergottesdiensten genauso liebevoll wie gründlich erklärt worden ist, warum das Osterereignis ein ganz wunderbares Geschenk für uns Menschen ist.
Ein Geschenk, das größer nicht sein könnte, denn es beschenkt uns endliche Menschen mit Unendlichkeit, uns sterbliche Wesen mit Unsterblichkeit, die doch eigentlich nur den Göttern vorbehalten zu sein schien, wie es die Römer und die Griechen in der Antike glaubten.
Unser Gott aber schenkt uns Menschenkindern mit Ostern das ewige Leben - bitter schmerzhaft erkauft durch den Kreuzestod Jesu Christi.
Und an Ostern lassen wir die Hoffnung auf Auferstehung hochleben und loben Gott, dessen Liebe zu uns so groß ist, dass er das schwierigste Problem des Menschseins für uns löst: das Sterben müssen in einen Tod hinein, der von uns nichts mehr übrig lässt - gar nichts.
Auch wenn ich das Nichts nicht unbedingt als bedrohlich empfinde, liebe Gemeinde, da es für mich schlicht und einfach vollkommen unvorstellbar ist - ich kann es mir nämlich bestenfalls als die Abwesenheit von etwas ausmalen, ist die Hoffnung auf ein ewiges Leben für mich greifbar und wird mit dem Älterwerden immer realer.
Und diese Hoffnung ist bunt:
rot voller Liebe zu Gott und einem Leben auf Erden, das im Himmel endlos weitergehen wird - ohne dass es dabei langweilig zugehen muss;
blau und tief wie ein Bergsee, denn sie erreicht versunkene Schichten meiner Seele - nicht immer mühelos aber schließlich zuverlässig;
und grün wie die erwachende Natur im Frühling, denn sie erzählt mir vom Wachsen und Gedeihen, das durch keinen Herbst mehr gebremst und durch keinen Winter mehr eingefroren werden wird.
Und daneben gibt es natürlich auch noch all die anderen Farben, liebe Gemeinde, die mir in den Gedanken meines Herzens einen kompletten und wunderschönen Hoffnungsregenbogen schenken, über den ich einst von der Erde in den Himmel steigen werde. -
Es wird wahrscheinlich nicht wenige von Ihnen geben, liebe Gemeinde, die die Schilderung meiner Auferstehungshoffnung vielleicht für zu fromm, zu unangefochten - mindestens für ein bisschen zu blumig halten. Das würde mir auch so gehen, wenn ich einen solchen Text von jemand anderem hören oder lesen würde, und es wäre bis jetzt mit keinem Wort über mögliche Zweifel gesprochen worden, die auch der blühendsten Hoffnung die Luft zum Atmen nehmen können.
Diese Zweifel gibt es natürlich auch in mir.
So wie es die Zweifel auch bei Jesus gegeben hat, dem Gottessohn und Menschensohn zugleich, und die in seinem Schrei am Kreuz gipfelten:
„Eli, eli, lama asabtani? - Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Wenn ich ehrlich bin, so dürften die Erfahrungen der Gottverlassenheit in meinem Leben sogar zahlreicher sein als Erlebnisse glücklicher und kindlicher Geborgenheit in Gottes Nähe. Viel Zeit habe ich in meinem Leben darauf verwendet, liebe Gemeinde, mir meine enttäuschenden Erfahrungen mit Gott genau anzusehen - manchmal habe ich sie in ihre Einzelteile zerlegt und sie mir mit einer Lupe betrachtet.
Unter dieser Lupe war dann irgendwann kein Gott mehr zu finden, der etwas für mich übrighat, ja, der mich liebt und der mir auf meinem Weg durch Glück und Leid, Erfolg und Niederlage treu zur Seite steht.
Und wenn ich meinen Blick eingefroren habe, gab es schließlich überhaupt keinen Gott mehr, den ich mit meiner Lupe finden konnte.
Ich habe es tatsächlich Gott zu verdanken, dass ich heute wieder weitherzig glauben und ungestüm hoffen kann, liebe Gemeinde.
Er war es nämlich, der mir dabei geholfen hat, die Lupe des Analytikers aus der Hand zu legen, um meinem Leben Gelegenheit zu geben, ihn immer wieder zu treffen: ganz unerwartet, ganz wirklich - und manchmal ganz überwältigend.
Er war es, der meinen Gedanken manchmal tatsächlich zur Umkehr verholfen hat, indem er mich gefragt hat:
„Was meinst du?
Habe ich Dich verlassen? -
Oder ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass vielleicht Du mich verlassen hast?“
Und bei diesen Fragen habe ich nie einen vorwurfsvollen Unterton gehört oder mich an unnötiger Theatralik stören müssen. -
Liebe Gemeinde, ohne Theologie, ohne Theologinnen und Theologen und deren beharrliches Bemühen, Gott so logisch zu machen, dass wir Menschenkinder ihn einigermaßen verstehen, wäre unser Glaube auf dem Weg durch die Zeit kaputtgegangen - oder zusammengeschrumpft zu etwas Kleinem und Ängstlichem, das sich nur darum kümmert, religiöse Bräuche zu pflegen, die so gut wie nichts mehr bedeuten und bestenfalls unterhaltsam sind.
Ohne unsere Gefühle aber, die uns kindlich Unglaubliches glauben-, Unvorstellbares ausmalen- und der Hoffnungslosigkeit hoffnungsvoll entgegenlachen lassen, wäre unser Glaube ebenfalls verloren.
Gefühle, die an Ostern gegen jede Vernunft und bei schwacher Datenlage, wie man das heute manchmal in anderen Zusammenhängen so nennt, jubelnd den Sieg des Lebens über den Tod feiern.
Gefühle, die sich zu Gott hinziehen lassen, um mit ihm zu weinen, zu lachen oder zu singen:
Traurigkeit, Trauer - Enttäuschung, Verzweiflung (gerade auch in diesem Frühjahr 2021);
Dankbarkeit, Fröhlichkeit - Zufriedenheit, Glück;
Und auch Mut und Übermut - und ein Augenzwinkern für unser Leben, das viel schöner ist, als es unter mancher Lupe aussieht.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Musikstück: Roby Facchinetti - Rinascero, Rinascerai
Wir bitten um Gottes Segen!

Der Herr segne uns und behüte uns;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns
und sei uns gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf uns
und gebe uns Frieden. Amen.
La paz del Senior - Bewahre uns Gott (EG 171,1-4 - Orginalversion Pfr. Eugen Eckert)