Hausgottesdienst am 2. Sonntag nach Epiphanias, den 17.01.2021
von Pfarrer Jochen-M. Spengler
von Pfarrer Jochen-M. Spengler
Lied: Ich möcht‘, dass einer mit mir geht (EG 209,1+2+4) Evangelischer Gottesdienst, Heilig-Geist-Kirche Mexiko-City (Deutschsprachige ev.-luth. Gemeinde) |
Liedtext
1. Ich möcht’, dass einer mit mir geht, der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten. Ich möcht’, dass einer mit mir geht.
2. Ich wart’, dass einer mit mir geht, der auch im Schweren zu mir steht,
der in den dunklen Stunden mir verbunden. Ich wart’, dass einer mit mir geht.
4. Sie nennen ihn den Herren Christ, der durch den Tod gegangen ist;
er will durch Leid und Freuden mich geleiten. Ich möcht’, dass er auch mit mir geht.
1. Ich möcht’, dass einer mit mir geht, der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten. Ich möcht’, dass einer mit mir geht.
2. Ich wart’, dass einer mit mir geht, der auch im Schweren zu mir steht,
der in den dunklen Stunden mir verbunden. Ich wart’, dass einer mit mir geht.
4. Sie nennen ihn den Herren Christ, der durch den Tod gegangen ist;
er will durch Leid und Freuden mich geleiten. Ich möcht’, dass er auch mit mir geht.
Liebe Gemeinde,
ich begrüße Sie herzlich zu unserem heutigen Hausgottesdienst am 2. Sonntag nach Epiphanias. Ich freue mich, dass Sie sich jetzt ein bisschen Zeit nehmen, um sich selbst und Gott konzentriert nahe zu sein - also aufmerksamer, als ich das auf meinem Weg durch den Alltag meistens bin.
Aber deswegen gibt es ja auch den Sonntag, den Gott mit Bedacht für uns erschaffen hat! -
Heute wird das aktuelle Zeitgeschehen in meinem Hausgottesdienstangebot für Sie - anders als sonst - weit in den Hintergrund treten: Weder die Corona Krise noch erschreckende Ereignisse in den USA werden im Mittelpunkt stehen - und auch nicht meine und Ihre damit verbundenen Gefühle. Heute soll es um Jesus gehen.
Wer ist Jesus: an sich, für mich, für uns?
Wie ist er?
Welche Beziehung habe ich, haben Sie zu Jesus? -
Mit diesen Fragen wird sich dieser Hausgottesdienst beschäftigen - in den Gebeten und vor allem in der Ansprache.
Als Ansprache habe ich Ihnen übrigens eine Predigtgeschichte eingelesen, in der das Thema „Jesus“ von mir in eher unterhaltsamer Form bearbeitet wird. Ich hoffe, Sie können sich auf so etwas einlassen!
Und die Lieder sind mir heute besonders wichtig!
Das Video unseres Eingangsliedes, „Ich möchte‘, dass einer mit mir geht“, habe ich mir mehrfach hintereinander angesehen.
Es trifft mich mitten ins Herz und erzählt mir eine ganze Menge von Jesus.
Vielleicht schenkt es auch Ihnen beim Anhören einen „heiligen Moment“.
Ich wünsche Ihnen nun einen gesegneten Hausgottesdienst und einen schönen Sonntag - und grüße Sie und Ihre Familien ganz herzlich!
Ihr Pfarrer Jochen-M. Spengler
ich begrüße Sie herzlich zu unserem heutigen Hausgottesdienst am 2. Sonntag nach Epiphanias. Ich freue mich, dass Sie sich jetzt ein bisschen Zeit nehmen, um sich selbst und Gott konzentriert nahe zu sein - also aufmerksamer, als ich das auf meinem Weg durch den Alltag meistens bin.
Aber deswegen gibt es ja auch den Sonntag, den Gott mit Bedacht für uns erschaffen hat! -
Heute wird das aktuelle Zeitgeschehen in meinem Hausgottesdienstangebot für Sie - anders als sonst - weit in den Hintergrund treten: Weder die Corona Krise noch erschreckende Ereignisse in den USA werden im Mittelpunkt stehen - und auch nicht meine und Ihre damit verbundenen Gefühle. Heute soll es um Jesus gehen.
Wer ist Jesus: an sich, für mich, für uns?
Wie ist er?
Welche Beziehung habe ich, haben Sie zu Jesus? -
Mit diesen Fragen wird sich dieser Hausgottesdienst beschäftigen - in den Gebeten und vor allem in der Ansprache.
Als Ansprache habe ich Ihnen übrigens eine Predigtgeschichte eingelesen, in der das Thema „Jesus“ von mir in eher unterhaltsamer Form bearbeitet wird. Ich hoffe, Sie können sich auf so etwas einlassen!
Und die Lieder sind mir heute besonders wichtig!
Das Video unseres Eingangsliedes, „Ich möchte‘, dass einer mit mir geht“, habe ich mir mehrfach hintereinander angesehen.
Es trifft mich mitten ins Herz und erzählt mir eine ganze Menge von Jesus.
Vielleicht schenkt es auch Ihnen beim Anhören einen „heiligen Moment“.
Ich wünsche Ihnen nun einen gesegneten Hausgottesdienst und einen schönen Sonntag - und grüße Sie und Ihre Familien ganz herzlich!
Ihr Pfarrer Jochen-M. Spengler
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.
Amen.
Wir lesen Verse aus dem Philipperbrief (2,5-11, der sog. Christushymnus):
Seid so unter euch gesinnt,
wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben,
der über alle Namen ist,
dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,
die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist,
zur Ehre Gottes, des Vaters.
Amen.
Wir lesen Verse aus dem Philipperbrief (2,5-11, der sog. Christushymnus):
Seid so unter euch gesinnt,
wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben,
der über alle Namen ist,
dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,
die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist,
zur Ehre Gottes, des Vaters.
Lasst uns beten!
Gott,
der du als Jesus Mensch wurdest, um als Gleicher unter Gleichen unser Leben zu teilen: barmherzig, demütig und bescheiden - und zugleich allmächtiger Gott, der Wunder für uns- und in unserer Welt vollbringen kann!
Wir danken dir dafür, dass du jetzt so nahe bei uns bist - und wir danken dir für dein Angebot, bei dir auftanken zu können:
Kraft, Gelassenheit und Zuversicht.
Wir bitten dich:
Hilf uns jetzt dabei, unseren Alltag mit allen seinen Themen, Fragen und Anforderungen mehr und mehr loszulassen und in uns Raum zu schaffen für dich, Gott.
Und lass uns spüren, wir du uns mit deiner Liebe umarmst.
Das bitten wir dich, Gott, durch Jesus Christus, unseren Freund und Bruder.
Amen.
Gott,
der du als Jesus Mensch wurdest, um als Gleicher unter Gleichen unser Leben zu teilen: barmherzig, demütig und bescheiden - und zugleich allmächtiger Gott, der Wunder für uns- und in unserer Welt vollbringen kann!
Wir danken dir dafür, dass du jetzt so nahe bei uns bist - und wir danken dir für dein Angebot, bei dir auftanken zu können:
Kraft, Gelassenheit und Zuversicht.
Wir bitten dich:
Hilf uns jetzt dabei, unseren Alltag mit allen seinen Themen, Fragen und Anforderungen mehr und mehr loszulassen und in uns Raum zu schaffen für dich, Gott.
Und lass uns spüren, wir du uns mit deiner Liebe umarmst.
Das bitten wir dich, Gott, durch Jesus Christus, unseren Freund und Bruder.
Amen.
Ansprache
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
heute haben wir es mit einem Predigttext zu tun, den manche von Ihnen wahrscheinlich kennen. In diesem Text - übrigens aus dem Johannesevangelium - wird von einem Wunder berichtet, das Jesus getan haben soll.
Durch dieses Wunder oder Zeichen, ganz wie Sie wollen, begannen die ersten Jünger an Jesus zu glauben, so steht es in dem Text. -
Ich denke nicht, dass die Jünger schon in einem so frühen Stadium ihres Zusammenseins mit diesem Jesus von Nazareth daran geglaubt haben, dass sie es hier mit dem vom Volk Israel herbeigesehnten Messias zu tun haben könnten - aber ich kann mir vorstellen, dass sie schlicht und einfach mehr und mehr beeindruckt waren von der Ausstrahlung dieses außergewöhnlichen Menschen und dem, was er sagte und tat.
Wie dem auch sei, liebe Gemeinde: Wenn ich ehrlich sein soll, so erscheint mir dieser Text auf den ersten Blick nicht gerade besonders gut dazu geeignet, seinen Gehalt im Rahmen einer Predigt zu einer tröstlichen oder erbaulichen, aufwühlenden oder ergreifenden Botschaft zuzuspitzen - und instinktiv suche ich nach einem Ausweg aus meiner Verlegenheit mit diesem Predigttext.
Nach längerem Hin-und-her ist mir eine Möglichkeit in den Sinn gekommen, ein Ausweg, den ich jetzt mit Ihnen, liebe Gemeinde, zusammen gehen möchte. Ich habe es mir so gedacht:
Stellen wir uns doch einmal vor, in einer Kirchengemeinde gäbe es eine Theatergruppe, die Jahr für Jahr beim Gemeindefest ihren großen Auftritt hat.
Seit fast einem Jahrzehnt ist diese Laiengruppe in ihrer Stammbesetzung schon zusammen, über’s Jahr wird eifrig geübt, und am Abend des Gemeindefestes ist es dann so weit: Der Altarraum wird zur Bühne, und die Gruppe führt den meist über hundert Besucherinnen und Besuchern ein Theaterstück auf.
Alles Mögliche wurde in den vergangenen Jahren schon aufgeführt - im vergangenen Jahr beispielsweise wurde „Der fröhliche Weinberg“ von Carl Zuckmayer inszeniert - natürlich in einer ziemlich abgespeckten Version. Die Theatergruppe hat ja nur fünf Mitglieder, die zum Teil mehrere Rollen spielen mussten, und dennoch gelang es ihnen in großartiger Manier, dieses Stück umzusetzen:
Man hatte förmlich den Eindruck, bei all den Verwicklungen rund um eine Hochzeit auf einem Rheingauer Weingut direkt dabei zu sein - und bei dem gemütlichen Beisammensein im Anschluss an die Aufführung sparten viele Besucherinnen und Besucher nicht mit Lob. -
Umso überraschter, wenn nicht sogar entsetzter, waren die Theaterspieler aber dann, als sie einige Wochen nach diesem Erfolg vom Kirchenvorstand einen Brief erhielten mit folgendem Text - ich gebe ihn in leicht gekürzter Form wieder:
„Natürlich freuen wir uns über ihre jährlichen Auftritte, mit denen Sie unser Gemeindefest schmücken, aber - Sie werden uns das verzeihen - wir möchten in Zukunft ein wenig Einfluss nehmen auf die Auswahl der Stücke. Wir sind schließlich eine Kirchengemeinde und kein weltlicher Veranstalter, deshalb würden wir es begrüßen, wenn Sie im nächsten Jahr einmal etwas Christliches spielen - vielleicht eine Geschichte, in der Jesus vorkommt. Was genau, das können Sie natürlich selber entscheiden - in aller Freiheit. Mit freundlichen Grüßen: Der Kirchenvorstand.“ -
Dieser Brief schlägt ein wie eine Bombe.
Rolf ist stinksauer. Er ist der Leiter der Theatergruppe, Berufsschullehrer im Ruhestand - und sein ohnehin schon hoher Blutdruck ist jetzt am Limit.
Auch die anderen, die um den großen runden Tisch in einem Seitenraum des Gemeindezentrums sitzen, sind reichlich aufgebracht.
„Dann führen wir denen eben beim nächsten Gemeindefest ein Krippenspiel auf“, wütet Rolf, „auch wenn das Fest im Sommer stattfindet. Ist mir doch egal! Dann hat der Kirchenvorstand, was er will.“
Auch Moritz lässt seinem Unmut freien Lauf: „Vielleicht könnten wir denen die Suppe auch mit einem bestürzenden Passionsspiel versalzen. Bin ’mal gespannt, wie die Stimmung dann beim Fest sein wird!“ Moritz ist noch Schüler und erst seit zwei Jahren mit in der Gruppe - er ist, das wird ihm immer wieder bestätigt, ein echtes Schauspieltalent.
Jutta, früher Bibliothekarin jetzt Mutter dreier Kinder und schon aus diesem Grund auf Frieden und Harmonie zwischen den Menschen bedacht, versucht nach einer Weile angespannten Schweigens ein bisschen einzulenken: „Ich finde es auch nicht gut, dass der Kirchenvorstand sich plötzlich so aufspielt. Aber bedenkt doch ’mal: Es ist uns doch immer schwerer gefallen, ein neues Stück zu finden. Vielleicht ist die Anregung mit einem Jesus-Stück ja gar nicht schlecht. Möglicherweise finden wir ja eine Geschichte in der Bibel, aus der sich etwas machen lässt.“
„Jutta hat Recht“, pflichtet Wolfgang ihr bei. „Warum sollten wir nicht auch einmal einen solchen Stoff in Angriff nehmen?“ Er steht auf, streckt in theatralischer Weise seinen Arm aus und sagt zu Rolf: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“
Die anderen müssen ein wenig schmunzeln, denn Wolfgang hat wohl wieder einmal, so ist das nämlich immer, die Hauptrolle ins Visier genommen. Er will anscheinend den Jesus spielen - und das, obwohl die Gruppe sich doch noch überhaupt nicht dafür entschieden hat der mehr oder weniger ärgerlichen Empfehlung des Kirchenvorstandes zu folgen. Wolfgang ist übrigens Service-Mann bei der Telecom und immer auf Achse. -
„Ich bleibe dabei: Wir führen ein Krippenspiel auf!“, lässt Rolf sich aber gar nicht irritieren.
„Ach, Rolf!“, wendet sich Mirjam an ihn, „selig sind die Sanftmütigen. Lass doch gut sein! Wer weiß, wie der Kirchenvorstand auf diesen Einfall gekommen ist.
Vielleicht sind die Damen und Herren von einigen Gemeindegliedern unter Druck gesetzt worden - oder sie wollten in unserer immer weltlicher werdenden Zeit einmal ein kraftvolles Zeichen setzen. Ist doch egal. Also ich finde die Idee mit einem Jesus-Stück auch irgendwie herausfordernd. Vielleicht sollten wir uns sogar wagen, den Text zu dem Stück selber zu schreiben.“
Mirjam sitzt neben Rolf und legt ihm ihre Hand versöhnlich auf die Schulter. Sie ist, nebenbei gesagt, Köchin in einem ortsansässigen Restaurant und hat immer größte Schwierigkeiten damit, für die abendlichen Proben frei zu bekommen.
Die Mitglieder der Theatergruppe schauen sich gegenseitig an, dann richten sie ihren Blick auf Rolf.
Und dann warten sie. -
Rolf bleibt stur.
Er sitzt da, schaut unter sich und schweigt.
Auf einmal steht er auf und verlässt den Raum.
Die anderen sind beunruhigt. Geht er jetzt etwa nach Hause?
Aber schon nach wenigen Minuten kehrt Rolf zurück. Er hat ein großes weißes Blatt Papier in der Hand, mindestens DIN A2 Format, das legt er mitten auf den Tisch.
Dann gibt er jedem einen andersfarbigen Edding-Stift in die Hand: schwarz, blau, gelb und grün.
Er selbst nimmt einen roten Stift und schreibt mit großen Lettern in die Mitte des Blattes: J-E-S-U-S.
„So, jetzt wollen wir ‘mal sehen, was wir überhaupt über diesen Jesus wissen“, sagt er, „denn das wäre vielleicht nicht schlecht für unseren Start auf dem Weg zu einem Jesus-Stück.“ Er zwinkert mit einem Auge, und dann lacht er herzlich los.
Und nach und nach lachen alle aus der Gruppe mit und alle finden es in diesem Augenblick besonders schön, bei dieser Theatergruppe mitmachen zu dürfen.
„Genug jetzt!“, beendet Rolf mit gespielter Strenge die fröhliche Ausgelassenheit, „an die Arbeit! Jeder schreibt jetzt auf dieses Blatt alles, was ihm oder ihr zu der Person Jesus einfällt. Ich denke, wir müssen erst einmal die Hauptperson unseres Stückes in den Griff bekommen.“
„Das meine ich auch!“, pflichtet Wolfgang ihm bei, und dann macht sich die Gruppe ans Werk.
Nach etwa zwanzig Minuten ist ein großes vielfarbiges Plakat entstanden. Alle möglichen Begriffe sind da zu lesen - ich gebe jetzt nur eine Auswahl wieder:
Hirte, Sohn Gottes, Revolutionär, Heiland, Messias, Jude;
oder auch: lange schwarze Haare, Vollbart, gütiger Blick;
Krippe Querstrich Kreuz steht unten rechts in der Ecke in grüner Farbe und in grellem Gelb oben in der Mitte: Prediger und Wunderheiler.
Die Theatergruppenmitglieder betrachten sich aufmerksam das große Blatt und lesen, was die anderen geschrieben haben.
Plötzlich greift Rolf noch einmal zu seinem Stift und schreibt direkt unter den Namen Jesus in Rot: Mensch.
Moritz, der den blauen Stift bekommen hatte, möchte auch noch etwas beisteuern. Aber das, was er schreiben will, lässt sich seiner Ansicht nach schlecht mit Blau schreiben. Er nimmt den Stift von Rolf und schreibt direkt unter das Wort Mensch: Liebe.
Dann ist die Sammlung komplett. -
An diesem Abend wird in der Theatergruppe noch über manches gesprochen: Über den Farbenreichtum dieses Jesus von Nazareth, den man den Christus nennt, über die Uneinheitlichkeit dieses Menschen - oder ist er doch Gott selber? -
So lebhaft ist es bei einem Treffen dieser Gruppe schon lange Zeit nicht mehr zugegangen.
Kurz vor Mitternacht gehen die Laienschauspieler dann auseinander - ausgerüstet mit einem Arbeitsauftrag für die kommenden zwei Wochen bis zum nächsten Treffen:
Jeder und jede soll in der Bibel nach Jesus-Geschichten suchen, die sich möglicherweise für ein Theaterstück eignen könnten.
Nach vierzehn Tagen kommt die Gruppe wieder im Gemeindezentrum zusammen.
Verschiedene Vorschläge für mögliche Spielstücke werden vorgetragen:
Einige Heilungsgeschichten, Wunderberichte wie z.B. die Speisung der Fünftausend - und Rolf schlägt sogar die Tempelreinigung vor, bei der Jesus wütend Händler aus dem Tempel jagt.
Schließlich unterbreitet Mirjam ihren Vorschlag:
„Ich könnte mir vorstellen, dass wir „Die Hochzeit zu Kana“ nehmen. Auf diese Geschichte bin ich beim Blättern in der Bibel eher zufällig gestoßen. Aber irgendwie hat sie mir imponiert. Ich kann sie euch ja ’mal vorlesen.“
Und das tut sie dann auch:
[Text: Joh 2,1-11]
Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da.
Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.
Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.
Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.
Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße.
Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan.
Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm.
Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten -ruft der Speisemeister den Bräutigam
und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit.
Und seine Jünger glaubten an ihn. -
„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was du ausgerechnet an dieser Geschichte imponierend findest“, kommentiert Rolf den Vorschlag, und Wolfgang fügt ironisch hinzu: „Ein ausgelassenes Trinkgelage mit reichlich erstklassigem Wein - immerhin würde das ganz gut an unser letztes Stück von dem fröhlichen Weinberg anknüpfen. Mehr spricht aber nicht für diese Geschichte.“
„Das finde ich aber doch!“, schaltet sich Moritz mutig ein. „Ich kannte diese Geschichte vorher gar nicht und habe sie eben das erste Mal gehört. Ich finde einiges in ihr sehr bemerkenswert.“
„Und was?“ will Rolf wissen.
„Zum einen ist es doch ziemlich außergewöhnlich zu erfahren, dass Jesus mit seinen Jüngern zu einer Feier gegangen ist. So etwas habe ich bis jetzt weder im Religionsunterricht noch in der Konfirmandenstunde gehört. Ich dachte immer, Jesus wäre eigentlich immer nur ernst gewesen. Dass der zu einer Feier geht! Und zum anderen finde ich es merkwürdig, wie er mit seiner Mutter umspringt. Sowas von überheblich! Das hat Maria wirklich nicht verdient.“
„Das meine ich auch!“, sagt Jutta. „Stellt euch doch einmal vor: Maria, die ihren ersten Sohn in einer so schwierigen Situation auf die Welt gebracht hat, bekommt in aller Öffentlichkeit von ihrem Sohn eine so schroffe Antwort auf ihre Frage. Dabei hat sie es doch gut gemeint!“
Auch Rolfs Interesse an dieser Geschichte ist so langsam geweckt. Er lehnt sich zurück - die anderen kennen das schon: Wahrscheinlich setzt er gleich zu einer Rede an, denken sie sich
Und genau so kommt es dann auch:
„Hört ’mal her!“, beginnt er. „Es ist doch wirklich die Frage, ob sich tatsächlich alles genau so verhalten hat, wie es hier berichtet wird. Also ich jedenfalls kann mir nur ganz schwer vorstellen, dass Jesus so arrogant und gereizt auf die Frage seiner Mutter reagiert hat - der Jesus, der doch sonst so gütig und so sanftmütig ist.
Andererseits würde sein schroffes Verhalten, das bei Menschen je nach Lage der Dinge ja auch einmal vorkommen kann, aber auch seine ganze Menschlichkeit unterstreichen: Jesus, wahrer Mensch, der auch ’mal seine eigene Mutter anpflaumt.
Nur sehe ich dann ein Problem: Jesus wäre dann in dieser Geschichte zugleich wahrer Mensch und - durch das Wunder, das er tut - wahrer Gott.
Wenn ich ehrlich sein soll, so liegt mir das hier zu dicht beieinander.“
Auch die anderen aus der Theatergruppe geraten nun über diese Frage ins Grübeln.
Jutta zum Beispiel überlegt sich, was ihr in ihrem Glauben nun eigentlich wichtiger ist:
Ein Jesus, der als Freund und Mitmensch an ihrer Seite ist, mit dem sie im Gebet ihre Probleme besprechen kann, ihre Sorgen und Nöte, und all das auf gleicher Augenhöhe - oder ein Jesus, der als mächtiger Gott regiert und für den es eine Kleinigkeit ist, 480 Liter Wasser, denn so viel sind sechs Maß, in besten Wein zu verwandeln.
Jutta fällt es schwer, zu einem Ergebnis zu kommen.
Für Wolfgang hingegen liegt der Fall klarer: Jesus ist wahrer Gott, er kann Wunder tun. Punkt. Die Menschlichkeit dieses Jesus interessiert ihn weniger. Und was ihn an Jesu Verhalten irritiert, kann er unter dem Begriff Geheimnis Gottes erklären.
Mirjam und Moritz liegen in ihren Gedanken auf der gleichen Wellenlänge: Für sie ist in allererster Linie die Menschlichkeit von Jesus wichtig: Sein Leben und sein Leiden, sein Lachen und sein Weinen, sein Feiern und sein Trauern - ja, sogar seine Fehler und Schwächen - all das sind für sie Zeichen eines tiefen Einverständnisses Gottes für alles, was zu einem menschlichen Leben gehört - und Zeichen seiner großen Liebe zu seinen Geschöpfen, denen er als gleicher unter gleichen begegnet.
„Wenn ich mir’s recht überlege“, sagt Mirjam schließlich, „hätte Jesus für mich in dieser Geschichte gar kein Wunder vollbringen müssen. Mir reicht es schon zu erfahren, dass Jesus auch feiern konnte: essen, trinken, singen, tanzen.“ -
Rolf hat begonnen, sich auf einem Zettel Notizen zu machen. Er ist ja nicht nur Darsteller sondern auch Regisseur in dieser Gruppe und er macht sich bereits Gedanken zur Umsetzung dieses Stoffes.
„Wir haben viel Arbeit vor uns!“, sagt er schließlich - und nach einem knappen Jahr kann die Theatergruppe mit Fug und Recht sagen, dass Rolf mit seiner Prognose Recht gehabt hat. -
Dann kam der Tag der Aufführung - und, liebe Gemeinde, ich hatte das Glück in meinen Gedanken dabei zu sein.
Ich kann Ihnen sagen, ich war wirklich beeindruckt:
Den Zuschauerraum hatte die Theatergruppe wunderbar geschmückt, es waren Gruppentische aufgestellt, um die herum die Zuschauerinnen und Zuschauer saßen.
Auf den Tischen standen Blumen, Weinkrüge, Tonbecher und Käsegebäck.
Zwischen den Spielszenen wurde immer wieder Musik gespielt, manche Melodien waren so schön und auch bekannt, dass die Zuschauer mit der Zeit begannen mitzusingen: Erst war es nur ein leises Summen, und schließlich, beim letzten Lied, sangen alle laut und fröhlich mit.
Die Szenen wurden diesmal nicht auf der Bühne gespielt sondern mitten im Zuschauerraum.
Jesus, der von Moritz gespielt wurde, ging von Tisch zu Tisch, setzte sich ’mal hier dazu, ’mal dorthin - aß, trank und sang mit den Zuschauerinnen und Zuschauern und manche nahm er sogar kurz bei der Hand oder strich ihnen sanft über’s Haar.
Einer Frau, von der die Gemeinde wusste, dass sie kürzlich ihren Mann verloren hatte, legte er seinen Arm schweigend um die Schultern - dann blickte er ihr fest in die Augen und ging zum nächsten Tisch weiter.
Die Szene mit der schroffen Reaktion Jesu auf Marias Frage hatte die Theatergruppe drin gelassen. Das hat mich erstaunt.
Kurz vor Ende des Stückes sah ich aber dann, wie Jesus auf seine Mutter zuging, ihr lächelnd die Hand reichte und leise sagte: „Tut mir leid, dass ich vorhin so ruppig war. Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Kannst du mir verzeihen?“
Und das konnte Maria leichten Herzens, Maria, die übrigens von Mirjam gespielt wurde.
Das Stück hatte eigentlich gar kein richtiges Ende.
Irgendwie - ohne dass man es mitbekommen hätte, wie sie sich umgezogen haben - saßen nach und nach alle Theaterspieler in ihrer Alltagskleidung mit an den Tischen.
Auch Moritz hatte seine lange Leinenkutte längst ausgezogen und saß mit Bluejeans und rotem T-Shirt mit an einem Tisch.
Und dennoch hatte die ganze Festgemeinde bis zum Ende des Abends das Gefühl, das Jesus mitten unter ihnen wäre.
Ich glaube nicht, dass sie sich getäuscht haben.
Amen.
Und die Liebe Gottes, die größer ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Liebe Gemeinde,
heute haben wir es mit einem Predigttext zu tun, den manche von Ihnen wahrscheinlich kennen. In diesem Text - übrigens aus dem Johannesevangelium - wird von einem Wunder berichtet, das Jesus getan haben soll.
Durch dieses Wunder oder Zeichen, ganz wie Sie wollen, begannen die ersten Jünger an Jesus zu glauben, so steht es in dem Text. -
Ich denke nicht, dass die Jünger schon in einem so frühen Stadium ihres Zusammenseins mit diesem Jesus von Nazareth daran geglaubt haben, dass sie es hier mit dem vom Volk Israel herbeigesehnten Messias zu tun haben könnten - aber ich kann mir vorstellen, dass sie schlicht und einfach mehr und mehr beeindruckt waren von der Ausstrahlung dieses außergewöhnlichen Menschen und dem, was er sagte und tat.
Wie dem auch sei, liebe Gemeinde: Wenn ich ehrlich sein soll, so erscheint mir dieser Text auf den ersten Blick nicht gerade besonders gut dazu geeignet, seinen Gehalt im Rahmen einer Predigt zu einer tröstlichen oder erbaulichen, aufwühlenden oder ergreifenden Botschaft zuzuspitzen - und instinktiv suche ich nach einem Ausweg aus meiner Verlegenheit mit diesem Predigttext.
Nach längerem Hin-und-her ist mir eine Möglichkeit in den Sinn gekommen, ein Ausweg, den ich jetzt mit Ihnen, liebe Gemeinde, zusammen gehen möchte. Ich habe es mir so gedacht:
Stellen wir uns doch einmal vor, in einer Kirchengemeinde gäbe es eine Theatergruppe, die Jahr für Jahr beim Gemeindefest ihren großen Auftritt hat.
Seit fast einem Jahrzehnt ist diese Laiengruppe in ihrer Stammbesetzung schon zusammen, über’s Jahr wird eifrig geübt, und am Abend des Gemeindefestes ist es dann so weit: Der Altarraum wird zur Bühne, und die Gruppe führt den meist über hundert Besucherinnen und Besuchern ein Theaterstück auf.
Alles Mögliche wurde in den vergangenen Jahren schon aufgeführt - im vergangenen Jahr beispielsweise wurde „Der fröhliche Weinberg“ von Carl Zuckmayer inszeniert - natürlich in einer ziemlich abgespeckten Version. Die Theatergruppe hat ja nur fünf Mitglieder, die zum Teil mehrere Rollen spielen mussten, und dennoch gelang es ihnen in großartiger Manier, dieses Stück umzusetzen:
Man hatte förmlich den Eindruck, bei all den Verwicklungen rund um eine Hochzeit auf einem Rheingauer Weingut direkt dabei zu sein - und bei dem gemütlichen Beisammensein im Anschluss an die Aufführung sparten viele Besucherinnen und Besucher nicht mit Lob. -
Umso überraschter, wenn nicht sogar entsetzter, waren die Theaterspieler aber dann, als sie einige Wochen nach diesem Erfolg vom Kirchenvorstand einen Brief erhielten mit folgendem Text - ich gebe ihn in leicht gekürzter Form wieder:
„Natürlich freuen wir uns über ihre jährlichen Auftritte, mit denen Sie unser Gemeindefest schmücken, aber - Sie werden uns das verzeihen - wir möchten in Zukunft ein wenig Einfluss nehmen auf die Auswahl der Stücke. Wir sind schließlich eine Kirchengemeinde und kein weltlicher Veranstalter, deshalb würden wir es begrüßen, wenn Sie im nächsten Jahr einmal etwas Christliches spielen - vielleicht eine Geschichte, in der Jesus vorkommt. Was genau, das können Sie natürlich selber entscheiden - in aller Freiheit. Mit freundlichen Grüßen: Der Kirchenvorstand.“ -
Dieser Brief schlägt ein wie eine Bombe.
Rolf ist stinksauer. Er ist der Leiter der Theatergruppe, Berufsschullehrer im Ruhestand - und sein ohnehin schon hoher Blutdruck ist jetzt am Limit.
Auch die anderen, die um den großen runden Tisch in einem Seitenraum des Gemeindezentrums sitzen, sind reichlich aufgebracht.
„Dann führen wir denen eben beim nächsten Gemeindefest ein Krippenspiel auf“, wütet Rolf, „auch wenn das Fest im Sommer stattfindet. Ist mir doch egal! Dann hat der Kirchenvorstand, was er will.“
Auch Moritz lässt seinem Unmut freien Lauf: „Vielleicht könnten wir denen die Suppe auch mit einem bestürzenden Passionsspiel versalzen. Bin ’mal gespannt, wie die Stimmung dann beim Fest sein wird!“ Moritz ist noch Schüler und erst seit zwei Jahren mit in der Gruppe - er ist, das wird ihm immer wieder bestätigt, ein echtes Schauspieltalent.
Jutta, früher Bibliothekarin jetzt Mutter dreier Kinder und schon aus diesem Grund auf Frieden und Harmonie zwischen den Menschen bedacht, versucht nach einer Weile angespannten Schweigens ein bisschen einzulenken: „Ich finde es auch nicht gut, dass der Kirchenvorstand sich plötzlich so aufspielt. Aber bedenkt doch ’mal: Es ist uns doch immer schwerer gefallen, ein neues Stück zu finden. Vielleicht ist die Anregung mit einem Jesus-Stück ja gar nicht schlecht. Möglicherweise finden wir ja eine Geschichte in der Bibel, aus der sich etwas machen lässt.“
„Jutta hat Recht“, pflichtet Wolfgang ihr bei. „Warum sollten wir nicht auch einmal einen solchen Stoff in Angriff nehmen?“ Er steht auf, streckt in theatralischer Weise seinen Arm aus und sagt zu Rolf: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“
Die anderen müssen ein wenig schmunzeln, denn Wolfgang hat wohl wieder einmal, so ist das nämlich immer, die Hauptrolle ins Visier genommen. Er will anscheinend den Jesus spielen - und das, obwohl die Gruppe sich doch noch überhaupt nicht dafür entschieden hat der mehr oder weniger ärgerlichen Empfehlung des Kirchenvorstandes zu folgen. Wolfgang ist übrigens Service-Mann bei der Telecom und immer auf Achse. -
„Ich bleibe dabei: Wir führen ein Krippenspiel auf!“, lässt Rolf sich aber gar nicht irritieren.
„Ach, Rolf!“, wendet sich Mirjam an ihn, „selig sind die Sanftmütigen. Lass doch gut sein! Wer weiß, wie der Kirchenvorstand auf diesen Einfall gekommen ist.
Vielleicht sind die Damen und Herren von einigen Gemeindegliedern unter Druck gesetzt worden - oder sie wollten in unserer immer weltlicher werdenden Zeit einmal ein kraftvolles Zeichen setzen. Ist doch egal. Also ich finde die Idee mit einem Jesus-Stück auch irgendwie herausfordernd. Vielleicht sollten wir uns sogar wagen, den Text zu dem Stück selber zu schreiben.“
Mirjam sitzt neben Rolf und legt ihm ihre Hand versöhnlich auf die Schulter. Sie ist, nebenbei gesagt, Köchin in einem ortsansässigen Restaurant und hat immer größte Schwierigkeiten damit, für die abendlichen Proben frei zu bekommen.
Die Mitglieder der Theatergruppe schauen sich gegenseitig an, dann richten sie ihren Blick auf Rolf.
Und dann warten sie. -
Rolf bleibt stur.
Er sitzt da, schaut unter sich und schweigt.
Auf einmal steht er auf und verlässt den Raum.
Die anderen sind beunruhigt. Geht er jetzt etwa nach Hause?
Aber schon nach wenigen Minuten kehrt Rolf zurück. Er hat ein großes weißes Blatt Papier in der Hand, mindestens DIN A2 Format, das legt er mitten auf den Tisch.
Dann gibt er jedem einen andersfarbigen Edding-Stift in die Hand: schwarz, blau, gelb und grün.
Er selbst nimmt einen roten Stift und schreibt mit großen Lettern in die Mitte des Blattes: J-E-S-U-S.
„So, jetzt wollen wir ‘mal sehen, was wir überhaupt über diesen Jesus wissen“, sagt er, „denn das wäre vielleicht nicht schlecht für unseren Start auf dem Weg zu einem Jesus-Stück.“ Er zwinkert mit einem Auge, und dann lacht er herzlich los.
Und nach und nach lachen alle aus der Gruppe mit und alle finden es in diesem Augenblick besonders schön, bei dieser Theatergruppe mitmachen zu dürfen.
„Genug jetzt!“, beendet Rolf mit gespielter Strenge die fröhliche Ausgelassenheit, „an die Arbeit! Jeder schreibt jetzt auf dieses Blatt alles, was ihm oder ihr zu der Person Jesus einfällt. Ich denke, wir müssen erst einmal die Hauptperson unseres Stückes in den Griff bekommen.“
„Das meine ich auch!“, pflichtet Wolfgang ihm bei, und dann macht sich die Gruppe ans Werk.
Nach etwa zwanzig Minuten ist ein großes vielfarbiges Plakat entstanden. Alle möglichen Begriffe sind da zu lesen - ich gebe jetzt nur eine Auswahl wieder:
Hirte, Sohn Gottes, Revolutionär, Heiland, Messias, Jude;
oder auch: lange schwarze Haare, Vollbart, gütiger Blick;
Krippe Querstrich Kreuz steht unten rechts in der Ecke in grüner Farbe und in grellem Gelb oben in der Mitte: Prediger und Wunderheiler.
Die Theatergruppenmitglieder betrachten sich aufmerksam das große Blatt und lesen, was die anderen geschrieben haben.
Plötzlich greift Rolf noch einmal zu seinem Stift und schreibt direkt unter den Namen Jesus in Rot: Mensch.
Moritz, der den blauen Stift bekommen hatte, möchte auch noch etwas beisteuern. Aber das, was er schreiben will, lässt sich seiner Ansicht nach schlecht mit Blau schreiben. Er nimmt den Stift von Rolf und schreibt direkt unter das Wort Mensch: Liebe.
Dann ist die Sammlung komplett. -
An diesem Abend wird in der Theatergruppe noch über manches gesprochen: Über den Farbenreichtum dieses Jesus von Nazareth, den man den Christus nennt, über die Uneinheitlichkeit dieses Menschen - oder ist er doch Gott selber? -
So lebhaft ist es bei einem Treffen dieser Gruppe schon lange Zeit nicht mehr zugegangen.
Kurz vor Mitternacht gehen die Laienschauspieler dann auseinander - ausgerüstet mit einem Arbeitsauftrag für die kommenden zwei Wochen bis zum nächsten Treffen:
Jeder und jede soll in der Bibel nach Jesus-Geschichten suchen, die sich möglicherweise für ein Theaterstück eignen könnten.
Nach vierzehn Tagen kommt die Gruppe wieder im Gemeindezentrum zusammen.
Verschiedene Vorschläge für mögliche Spielstücke werden vorgetragen:
Einige Heilungsgeschichten, Wunderberichte wie z.B. die Speisung der Fünftausend - und Rolf schlägt sogar die Tempelreinigung vor, bei der Jesus wütend Händler aus dem Tempel jagt.
Schließlich unterbreitet Mirjam ihren Vorschlag:
„Ich könnte mir vorstellen, dass wir „Die Hochzeit zu Kana“ nehmen. Auf diese Geschichte bin ich beim Blättern in der Bibel eher zufällig gestoßen. Aber irgendwie hat sie mir imponiert. Ich kann sie euch ja ’mal vorlesen.“
Und das tut sie dann auch:
[Text: Joh 2,1-11]
Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da.
Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.
Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.
Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.
Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße.
Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan.
Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm.
Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten -ruft der Speisemeister den Bräutigam
und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit.
Und seine Jünger glaubten an ihn. -
„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was du ausgerechnet an dieser Geschichte imponierend findest“, kommentiert Rolf den Vorschlag, und Wolfgang fügt ironisch hinzu: „Ein ausgelassenes Trinkgelage mit reichlich erstklassigem Wein - immerhin würde das ganz gut an unser letztes Stück von dem fröhlichen Weinberg anknüpfen. Mehr spricht aber nicht für diese Geschichte.“
„Das finde ich aber doch!“, schaltet sich Moritz mutig ein. „Ich kannte diese Geschichte vorher gar nicht und habe sie eben das erste Mal gehört. Ich finde einiges in ihr sehr bemerkenswert.“
„Und was?“ will Rolf wissen.
„Zum einen ist es doch ziemlich außergewöhnlich zu erfahren, dass Jesus mit seinen Jüngern zu einer Feier gegangen ist. So etwas habe ich bis jetzt weder im Religionsunterricht noch in der Konfirmandenstunde gehört. Ich dachte immer, Jesus wäre eigentlich immer nur ernst gewesen. Dass der zu einer Feier geht! Und zum anderen finde ich es merkwürdig, wie er mit seiner Mutter umspringt. Sowas von überheblich! Das hat Maria wirklich nicht verdient.“
„Das meine ich auch!“, sagt Jutta. „Stellt euch doch einmal vor: Maria, die ihren ersten Sohn in einer so schwierigen Situation auf die Welt gebracht hat, bekommt in aller Öffentlichkeit von ihrem Sohn eine so schroffe Antwort auf ihre Frage. Dabei hat sie es doch gut gemeint!“
Auch Rolfs Interesse an dieser Geschichte ist so langsam geweckt. Er lehnt sich zurück - die anderen kennen das schon: Wahrscheinlich setzt er gleich zu einer Rede an, denken sie sich
Und genau so kommt es dann auch:
„Hört ’mal her!“, beginnt er. „Es ist doch wirklich die Frage, ob sich tatsächlich alles genau so verhalten hat, wie es hier berichtet wird. Also ich jedenfalls kann mir nur ganz schwer vorstellen, dass Jesus so arrogant und gereizt auf die Frage seiner Mutter reagiert hat - der Jesus, der doch sonst so gütig und so sanftmütig ist.
Andererseits würde sein schroffes Verhalten, das bei Menschen je nach Lage der Dinge ja auch einmal vorkommen kann, aber auch seine ganze Menschlichkeit unterstreichen: Jesus, wahrer Mensch, der auch ’mal seine eigene Mutter anpflaumt.
Nur sehe ich dann ein Problem: Jesus wäre dann in dieser Geschichte zugleich wahrer Mensch und - durch das Wunder, das er tut - wahrer Gott.
Wenn ich ehrlich sein soll, so liegt mir das hier zu dicht beieinander.“
Auch die anderen aus der Theatergruppe geraten nun über diese Frage ins Grübeln.
Jutta zum Beispiel überlegt sich, was ihr in ihrem Glauben nun eigentlich wichtiger ist:
Ein Jesus, der als Freund und Mitmensch an ihrer Seite ist, mit dem sie im Gebet ihre Probleme besprechen kann, ihre Sorgen und Nöte, und all das auf gleicher Augenhöhe - oder ein Jesus, der als mächtiger Gott regiert und für den es eine Kleinigkeit ist, 480 Liter Wasser, denn so viel sind sechs Maß, in besten Wein zu verwandeln.
Jutta fällt es schwer, zu einem Ergebnis zu kommen.
Für Wolfgang hingegen liegt der Fall klarer: Jesus ist wahrer Gott, er kann Wunder tun. Punkt. Die Menschlichkeit dieses Jesus interessiert ihn weniger. Und was ihn an Jesu Verhalten irritiert, kann er unter dem Begriff Geheimnis Gottes erklären.
Mirjam und Moritz liegen in ihren Gedanken auf der gleichen Wellenlänge: Für sie ist in allererster Linie die Menschlichkeit von Jesus wichtig: Sein Leben und sein Leiden, sein Lachen und sein Weinen, sein Feiern und sein Trauern - ja, sogar seine Fehler und Schwächen - all das sind für sie Zeichen eines tiefen Einverständnisses Gottes für alles, was zu einem menschlichen Leben gehört - und Zeichen seiner großen Liebe zu seinen Geschöpfen, denen er als gleicher unter gleichen begegnet.
„Wenn ich mir’s recht überlege“, sagt Mirjam schließlich, „hätte Jesus für mich in dieser Geschichte gar kein Wunder vollbringen müssen. Mir reicht es schon zu erfahren, dass Jesus auch feiern konnte: essen, trinken, singen, tanzen.“ -
Rolf hat begonnen, sich auf einem Zettel Notizen zu machen. Er ist ja nicht nur Darsteller sondern auch Regisseur in dieser Gruppe und er macht sich bereits Gedanken zur Umsetzung dieses Stoffes.
„Wir haben viel Arbeit vor uns!“, sagt er schließlich - und nach einem knappen Jahr kann die Theatergruppe mit Fug und Recht sagen, dass Rolf mit seiner Prognose Recht gehabt hat. -
Dann kam der Tag der Aufführung - und, liebe Gemeinde, ich hatte das Glück in meinen Gedanken dabei zu sein.
Ich kann Ihnen sagen, ich war wirklich beeindruckt:
Den Zuschauerraum hatte die Theatergruppe wunderbar geschmückt, es waren Gruppentische aufgestellt, um die herum die Zuschauerinnen und Zuschauer saßen.
Auf den Tischen standen Blumen, Weinkrüge, Tonbecher und Käsegebäck.
Zwischen den Spielszenen wurde immer wieder Musik gespielt, manche Melodien waren so schön und auch bekannt, dass die Zuschauer mit der Zeit begannen mitzusingen: Erst war es nur ein leises Summen, und schließlich, beim letzten Lied, sangen alle laut und fröhlich mit.
Die Szenen wurden diesmal nicht auf der Bühne gespielt sondern mitten im Zuschauerraum.
Jesus, der von Moritz gespielt wurde, ging von Tisch zu Tisch, setzte sich ’mal hier dazu, ’mal dorthin - aß, trank und sang mit den Zuschauerinnen und Zuschauern und manche nahm er sogar kurz bei der Hand oder strich ihnen sanft über’s Haar.
Einer Frau, von der die Gemeinde wusste, dass sie kürzlich ihren Mann verloren hatte, legte er seinen Arm schweigend um die Schultern - dann blickte er ihr fest in die Augen und ging zum nächsten Tisch weiter.
Die Szene mit der schroffen Reaktion Jesu auf Marias Frage hatte die Theatergruppe drin gelassen. Das hat mich erstaunt.
Kurz vor Ende des Stückes sah ich aber dann, wie Jesus auf seine Mutter zuging, ihr lächelnd die Hand reichte und leise sagte: „Tut mir leid, dass ich vorhin so ruppig war. Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Kannst du mir verzeihen?“
Und das konnte Maria leichten Herzens, Maria, die übrigens von Mirjam gespielt wurde.
Das Stück hatte eigentlich gar kein richtiges Ende.
Irgendwie - ohne dass man es mitbekommen hätte, wie sie sich umgezogen haben - saßen nach und nach alle Theaterspieler in ihrer Alltagskleidung mit an den Tischen.
Auch Moritz hatte seine lange Leinenkutte längst ausgezogen und saß mit Bluejeans und rotem T-Shirt mit an einem Tisch.
Und dennoch hatte die ganze Festgemeinde bis zum Ende des Abends das Gefühl, das Jesus mitten unter ihnen wäre.
Ich glaube nicht, dass sie sich getäuscht haben.
Amen.
Und die Liebe Gottes, die größer ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Lasst uns beten!
Gott,
wir danken dir dafür, dass du uns Menschen als Jesus so nahe gekommen bist.
Du hast mit den Menschen das Leben geteilt:
damals vor zweitausend Jahren - und auch heute noch, selbst wenn wir das manchmal erst auf den zweiten Blick bemerken.
Du weißt also, wie unser Leben ist: Was uns weh tut und was uns glücklich macht, wie Angst lähmen kann und Mut gut tut - und du kennst auch die große Bedeutung von Hoffnung und Zuversicht für unseren Blick auf unser Leben.
Gott, wir danken dir für deine Freundschaft zu uns, von der ich manchmal denke, dass ich sie kaum verdient habe.
Aber du hältst uns Menschen, deine Geschöpfe, für so wertvoll, dass du Seite an Seite mit uns durch unser Leben gehst. Wie wunderbar! -
Gott, wir bitten dich heute für all die Menschenkinder, die deine Hilfe ganz besonders brauchen in diesen Tagen - und für die du ein Wunder tun könntest:
für die schwer kranken Menschen, denen Menschen kaum mehr helfen können - komme du zu ihnen und finde für sie einen Weg, wie es für sie weitergehen kann;
für Menschen, die in ihrer Angst gefangen sind, und die auf Befreiung hoffen - löse ihre Fesseln -
und für uns alle hier, die wir in dieser quälend langen Pandemiezeit nicht Geduld und Zuversicht verlieren - und weiterhin treu füreinander da sind: sie Starken für die Schwachen und die Hoffnungsvollen für die Verzweifelten. -
Gott, auf dich vertrauen wir!
Du bist unser Gott - unser Los liegt in deinen Händen.
In unserem stillen Gebet können wir dir, Gott, jetzt all das anvertrauen, was uns auf dem Herzen liegt…
Gott,
wir danken dir dafür, dass du uns Menschen als Jesus so nahe gekommen bist.
Du hast mit den Menschen das Leben geteilt:
damals vor zweitausend Jahren - und auch heute noch, selbst wenn wir das manchmal erst auf den zweiten Blick bemerken.
Du weißt also, wie unser Leben ist: Was uns weh tut und was uns glücklich macht, wie Angst lähmen kann und Mut gut tut - und du kennst auch die große Bedeutung von Hoffnung und Zuversicht für unseren Blick auf unser Leben.
Gott, wir danken dir für deine Freundschaft zu uns, von der ich manchmal denke, dass ich sie kaum verdient habe.
Aber du hältst uns Menschen, deine Geschöpfe, für so wertvoll, dass du Seite an Seite mit uns durch unser Leben gehst. Wie wunderbar! -
Gott, wir bitten dich heute für all die Menschenkinder, die deine Hilfe ganz besonders brauchen in diesen Tagen - und für die du ein Wunder tun könntest:
für die schwer kranken Menschen, denen Menschen kaum mehr helfen können - komme du zu ihnen und finde für sie einen Weg, wie es für sie weitergehen kann;
für Menschen, die in ihrer Angst gefangen sind, und die auf Befreiung hoffen - löse ihre Fesseln -
und für uns alle hier, die wir in dieser quälend langen Pandemiezeit nicht Geduld und Zuversicht verlieren - und weiterhin treu füreinander da sind: sie Starken für die Schwachen und die Hoffnungsvollen für die Verzweifelten. -
Gott, auf dich vertrauen wir!
Du bist unser Gott - unser Los liegt in deinen Händen.
In unserem stillen Gebet können wir dir, Gott, jetzt all das anvertrauen, was uns auf dem Herzen liegt…
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Wir bitten um Gottes Segen!
Der Herr segne uns und behüte uns;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.
Der Herr segne uns und behüte uns;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.
Meine Hoffnung, meine Freude Gregorius Chor Zürich zusammen mit einer Singschule |