Tageslosung
Die Herrnhuter Tageslosung
Hausgottesdienst am 2. Sonntag nach Weihnachten, den 03.01.2021

Antonio Vivaldi, Largo aus „Der Winter“
Liebe Gemeinde,
ich begrüße Sie herzlich zu unserem heutigen Hausgottesdienst am 2. Sonntag nach Weihnachten und freue mich, dass Sie mitmachen!
Die Feiertage sind nun vorbei, und spätestens morgen, am Montag, beginnt wieder der Alltag. Allerdings ein Alltag in einem neuen Jahr: mit alten Sorgen zwar aber auch hoffentlich neuer Zuversicht.
Ich hoffe, Sie konnten Ihre Feiertage trotz aller Corona Beschränkungen ein bisschen genießen. Ich selbst bin mir in diesen Tagen an Weihnachten und Silvester ein wenig fremd vorgekommen, denn nur selten ist es mir gelungen, die Gefühle hervorzuholen, die mich sonst um diese Zeit bewegen - und in „aufgeräumte Fröhlichkeit“ versetzen.
Aber mein Blick geht voraus, obwohl ich eigentlich eher jemand bin, der zurückblickt oder auf die Gegenwart schaut, und ich freue mich bereits jetzt auf unser nächstes großes Kirchenfest, das schon am 4. April stattfinden wird: das Osterfest.
An dieses Fest knüpfe ich in diesem Jahr noch mehr Hoffnungen als sonst:
Das Versprechen der Auferstehung soll mich tief durchdringen, die erwachende Frühlingsnatur soll mich beflügeln - und die Zahl der bis dahin geimpften Menschen soll meine Zuversicht groß machen und mich mit neuer Kraft und frischer Energie ausrüsten.
Der Blick voraus ist mir in diesen grauen Tagen Trost und Ansporn: in drei Monaten ist es bereits so weit.
Nun aber zum Hier und Jetzt:
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Hausgottesdienst und einen schönen Sonntag -und ich grüße Sie und Ihre Familien ganz herzlich!

Ihr Pfarrer Jochen-M. Spengler
Wir feiern unseren Gottesdienst:
Im Namen Gottes, der Quelle unseres Lebens, die uns gibt, was wir zum Leben brauchen.
Im Namen Jesu Christi, unserem Freund und Bruder, durch den uns Gott etwas von seinem Wesen und seiner Liebe zu uns Menschen gezeigt hat.
Und im Namen des heiligen Geistes, einer Kraft, die uns in Gemeinschaft zusammenhält und an schönen Tagen so richtig glücklich macht - und an traurigen Tagen die Zuversicht nicht verlieren lässt. Amen.

Wir lesen Verse aus Psalm 121:
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.
Der Herr behütet dich; der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit!
Lasst uns beten!
Gott,
nun ist es Sonntag, der erste Sonntag in dem neuen Jahr 2021.
Mit Hoffnungen gehen wir in dieses Jahr, Hoffnungen für uns alle - und Hoffnungen für uns ganz persönlich. Und natürlich auch mit Sorgen, die uns manchmal anspannen und uns unsere Herzen schwer machen.
Gott, wir danken dir dafür, dass wir mit all dem, was uns bewegt, zu dir kommen dürfen.
Du nimmst dir Zeit für uns, du hörst uns an - und du verstehst auch all das von uns, was wir gar nicht in der Lage sind in Worte zu fassen.
Gott, wir danken dir für deine Freundschaft und deine Liebe zu uns.
Mit dir an unserer Seite wird der Weg durch das neue Jahr gelingen, was auch immer geschieht. Amen.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,
ich habe es in meiner Begrüßung zum heutigen Gottesdienst schon gesagt:
Die Weihnachtszeit hatte es dieses Mal nicht leicht, mein Herz fröhlich zu machen und weihnachtlich zu stimmen.
Vieles in mir blieb grau und besorgt, obwohl ich das Jahr 2020 doch gesund und gut versorgt überstanden habe.
Außerdem gab es ja auch im Jahr 2020 manchen Grund zur Freude! -
Also habe ich in der Adventszeit versucht, mir Vorweihnachtsgefühle früherer Jahre zurückzuholen, in dem ich Advents- und Weihnachtsansprachen von mir aus der Vergangenheit gelesen habe.
Zum einen war ich überrascht, dass ich vieles von dem, was ich damals gepredigt habe, auch heute noch so oder ganz ähnlich formulieren würde, obwohl sich die Welt mit mir doch unaufhörlich weitergedreht und entwickelt hat.
Zum anderen kamen beim Studieren der Texte ganz spontan Erinnerungen an Weihnachtsfeste in unserer Gemeinde auf, die hell und fast festlich in mir tönten.
Eine Christvesperansprache und die darin enthaltene Geschichte hat mich besonders berührt. Sie stammt aus meinen Gottesdiensten am Heiligabend 2015 - einem Jahr übrigens, das wegen der sog. Flüchtlingskrise von vielen als besonders anstrengend empfunden wurde. Hätten wir damals schon geahnt, was eine Corona Pandemie alles auf den Kopf stellen kann, wären wir sicher entspannter durch Herbst und Winter 2015 gegangen. -
Ich möchte Ihnen nun die Geschichte ans Herz legen, die damals Mittelpunkt in den Christvespern war.
Paulo Coelho hat sie uns überliefert und sie trägt den Titel:
Das schönste Gebet seines Lebens




Das schönste Gebet seines Lebens
überliefert von Paulo Coelho

„Der Glaube lebt noch im Herzen der Menschen“, sagte sich der Priester, als er die volle Kirche sah.
Es waren die Arbeiter des ärmsten Viertels von Rio de Janeiro, die sich alle zur Christmette eingefunden hatten.
Der Priester freute sich über die vielen Gottesdienstbesucher und begab sich würdigen Schrittes zum Altar. -
„A, b, c, d…“ -
Es klang wie eine Kinderstimme.
Und es störte die Feierlichkeit der Messe.
Natürlich schauten sich die Anwesenden ärgerlich um.
Doch die Stimme fuhr fort:
„A, b, c, d…“ -
„Schluss damit“, sagte der Priester schließlich wenig liturgisch, dem es jetzt reichte.
Und ein Junge schien daraufhin wie aus einem Traum zu erwachen.
Er warf einen ängstlichen Blick in die Runde und sein Gesicht überzog sich mit Schamesröte.
„Was soll das?“, rief der Priester, „siehst du denn nicht, dass du unser Gebet störst?“
Der Junge senkte den Kopf und Tränen rannen ihm über die Wangen.
„Wo ist deine Mutter?“, wollte der Priester nun wissen. „hat sie dir denn nicht beigebracht, wie man sich in einer Messe zu benehmen hat?“
Mit gesenktem Kopf sagte der Junge: „Ich bitte sehr um Entschuldigung, Herr Priester, aber ich habe nie beten gelernt.
Ich bin ohne Mutter und Vater auf der Straße aufgewachsen - und heute ist Weihnachten, und ich wollte mit Gott reden.
Ich weiß nicht, welche Sprache er spricht, also sage ich die Buchstaben, die ich kenne.
Ich hatte mir gedacht, dass er dort oben die Buchstaben nehmen- und daraus Worte und Sätze machen könnte, die ihm gefallen.“
„Jetzt gehe ich lieber“, meinte er dann schüchtern, „ich möchte die Leute nicht stören, die wissen, wie man mit Gott redet.“
Der Priester ging mit langsamen Schritten auf den Jungen zu.
Dann nahm er ihn an der Hand und zog ihn sanft mit sich, bis sie beide vor dem Altar standen.
Dann wandte er sich an die Gläubigen:
„Heute werden wir zu Beginn unserer Messe ein ganz besonderes Gebet sprechen.
Wir werden Gott selber schreiben lassen, was er hören möchte. Jeder Buchstabe entspricht einem Augenblick in diesem Jahr, in dem wir eine gute Tat getan, mutig für einen Traum gekämpft- oder ein Gebet ohne Worte gesprochen haben.
Wir werden Gott bitten, den Buchstaben unseres Lebens eine Ordnung zu geben.
Und wir werden uns alle ganz fest wünschen, dass die Buchstaben, die wir ihm sagen, ihm ermöglichen, Worte und Sätze zu schaffen, die ihm gefallen.
Mit geschlossenen Augen begann der Priester das Alphabet aufzusagen.
Und schon nach ein paar Buchstaben machten alle Menschen in der Kirche mit:
„A, b, c, d, e, f, g…

Warum ist das für mich eine Geschichte, liebe Gemeinde, die es tatsächlich schafft, dass die Kraft von Weihnachten sich wunderbar entfaltet und mich stark macht - auch in einem schwierigen Jahr?
Warum wärmt sie mein Herz so sehr, dass der Weihnachtsglaube in mir Luft bekommt zum Atmen und auch aufhört, Fragen zu stellen - während eine Hoffnung in mir wächst, die mich Schritt für Schritt, ganz langsam aber auch ganz zuverlässig, fröhlich und zuversichtlich macht? -
Ich denke, es ist die Liebe, die Gott mir durch diese Geschichte schenkt.
Liebe zu dem kleinen Jungen, der mich in seinem kindlichen Gottvertrauen und besonders auch in seiner Demut überwältigt, und der mir zeigt, wie ich Gott lieben kann.
Wie gern, liebe Gemeinde, wäre ich wie dieser Junge!
Natürlich beneide ich ihn nicht um sein schlimmes Schicksal und um sein Leben als elternloses Straßenkind: ein Menschenkind mit wenig Rechten, ohne Ansehen und mit einem Lebensweg vor sich, der durch Keller führen wird und über Müllhalden auf der Suche nach Mitteln zum Leben.
Wann wird auf dem Lebensweg dieses Jungen schon eine Blume bunt am Wegrand blühen?
Und doch möchte ich sein wie er.
Wie oft habe ich auf dem Weg durch die zurückliegenden Wochen und Monaten versucht, Worte zu finden für das, was mich mein Leben hat erleben lassen, und nicht selten war ich dabei vom Anspruch getrieben, all die Erfahrungen, die ich gemacht habe, sprachlich auf den Punkt zu bringen.
Und mit den Formulierungen, die ich schließlich gefunden habe, liebe Gemeinde, mit den Wörtern und Sätzen, die ich aus dem Buchstabensalat meines Lebens und unserer Gegenwart geformt habe, bin ich natürlich auch zu meinem Gott gegangen:
Jeden Abend habe ich die Hände gefaltet und habe ihm ‘mal mehr und ‘mal weniger wortreich meine- und unsere Situation geschildert, liebe Gemeinde.
Natürlich habe ich Lob und Dank in meinen Gebeten nicht vergessen, denn es gab ja auch vieles, für das ich zu danken hatte: Buntes und Schönes - auch in dem Corona Jahr.
Nie aber wäre ich auf den Gedanken gekommen, Gott meine gesamte Hilflosigkeit in die Hände zu legen, indem ich ihm einfach ein paar Buchstaben zuflüstere, aus dem er selbst dann ein Gebet formt.
Und wenn ich auf einen solchen Gedanken gekommen wäre, so hätte ich Gott meine Buchstaben und Wortfragmente vor die Füße gelegt, in der Hoffnung, dass er daraus Botschaften und Ratschläge macht, die mir beim Leben helfen.
Der Junge aus der Geschichte aber denkt bei seinem einzigartigen Gebet überhaupt nicht an sich selbst, an sein Leben und sein Schicksal, sondern er will Gott eine Freude machen. Und auch wenn er befürchtet, gar nicht in der Lage zu sein, Gott mit einem wohlformulierten Gebet angemessen beschenken zu können, so macht er sich doch auf den Weg zu ihm. -
Wie klein ist mein Vertrauen zu Gott gegen das des Jungen aus dem Armenviertel von Rio de Janeiro!
Und mein guter Wille reicht bei weitem nicht an den dieses Jungen heran:
Immer wieder wird er behindert von dem Drang, das Leben und unsere Welt vor allem erst einmal alleine erklären zu wollen und ohne fremde Hilfe.
Wie schwer fällt es mir, mich ganz und gar in Gottes Hände zu geben auch mit all dem, was wenig schön und brauchbar ist an mir - und gelegentlich auch ganz hilflos. -
Natürlich weiß ich nicht, liebe Gemeinde, wie Gott uns Menschen sieht, was er jeweils von uns hält und wie er uns- und unser Verhalten bewertet.
Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass er sich über das Weihnachtsgeschenk des Jungen sehr gefreut hat.
Und vermutlich hat ihm auch der Priester aus der Geschichte ganz gut gefallen, weil er einigermaßen reaktionsschnell war und der Liebe nicht im Wege stehen blieb. -
Und wie ist sein Blick auf Sie, liebe Gemeinde, und wie auf mich?

Ärgert er sich über meine Eitelkeit, mit der ich versuche, so selbständig wie möglich durchs Leben zu kommen?
Tut ihm meine Gedankenlosigkeit weh, mit der ich auf meinem Weg durch meine Tage immer wieder an ihm vorbeilaufe - ohne seine Hand zu ergreifen, die er mir hinhält? -
Alle durften sie zur Krippe kommen, hofft mein Herz:
die einfachen Hirten, die stumm vor der Krippe niederknieten - und auch die weisen Männer aus dem Morgenland, die sich geradezu wissenschaftlich präpariert auf die Suche nach dem neuen König und Retter gemacht haben.
Die einen hatten nichts dabei als ihre Armut, Einfachheit und Demut - die anderen Kostbarkeiten wie Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Und du, Gott, hast sie alle willkommen geheißen, in dem Stall von Bethlehem an der Krippe.
Du hast sie stark gemacht und glücklich - und hast ihnen deine Freundschaft und Liebe geschenkt für ihren Weg durch ein Leben, das im Jahr Null wahrscheinlich nicht sehr viel einfacher war als im vergangenen Jahr 2020. -
Auch wenn ich dir zu viel versprechen würde, mein Gott, wenn ich jetzt behaupten würde, ich könnte bald so sein wie der Junge aus Brasilien - so voller Vertrauen zu dir, so bescheiden und so voller Liebe - so möchte ich dir in dieser Weihnachtszeit und am Beginn des neuen Jahres 2021 auch etwas schenken:
Ich möchte auf meinem Weg in die Zukunft diesem Jungen nacheifern.
So gut ich das kann.
Alleine werde ich das nicht schaffen.
Also bitte dich dafür um Hilfe: Stärke in mir immer wieder neu das Vertrauen darauf, dass ich zu dir kommen kann, so wie ich bin - in meiner Schlichtheit, in meiner Einfältigkeit und mit meinen Begrenztheiten - aber als dein Kind, das du liebst.
So wie du uns alle als deine Geschöpfe und Kinder liebst.
Amen.

Und die Liebe Gottes, die größer ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Von guten Mächten wunderbar geborgen (EG 65)
Lasst uns beten!

Gott,
wie schön, dass wir zu dir kommen mit uns und unserem Leben.
Dir können wir alles anvertrauen, was uns bewegt - gerade jetzt, wo ein neues Jahr für uns begonnen hat.
Und dabei müssten wir eigentlich gar keine großen Worte machen, ja, es würde reichen, wenn wir uns mit gefalteten Händen neben dich setzen- und schweigen würden.
Denn du weißt alles von uns. -
Und doch tut es mir gut, wenn ich Gedanken und Gefühle versuche in Worte zu kleiden, um mit ihnen zu dir zu kommen, denn manches von dem, was ich in deiner Nähe ausspreche, verliert schon bald manches von dem, was mich vorher so bedrückt hat.
Dafür danke ich dir, Gott, von Herzen. -
Gott, wir bitten dich heute für all die Menschen, die einem Gebet heutzutage nichts mehr zutrauen. Lass uns ihnen von unseren guten Erfahrungen erzählen und zieh‘ du in ihren Herzen ein, damit sie deine Freundschaft spüren lernen. -
Wir bitten dich auch für die Menschen, denen derzeit kaum mehr bleibt als betend zu hoffen, dass sich ihre Lage bald verbessert:
Ich denke an Menschen, die schwer krank sind;
ich denke an Menschen, die in Flüchtlingslagern bei bitterer Kälte und unter großen Entbehrungen um ihr Leben kämpfen -
und ich denke an all die anderen, die deine Hilfe, Gott, und unsere Unterstützung bitter nötig haben.

Gott, in unserem stillen Gebet denken wir heute auch an all die Opfer der Corona Krise, hier und überall auf der Welt. Nimm du sie in deine Hände und schenke ihnen alles Glück der Ewigkeit! Tröste die Trauernden - und lass uns mit ihnen das Leid teilen, wo immer uns das möglich ist. - Wir beten in der Stille…
Bewahre uns Gott (EG 171,1-4)
Wir bitten um Gottes Segen!

Der Herr segne uns und behüte uns;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.
Verleih uns Frieden gnädiglich (Version: Matthias Nagel - EG+ 142)