Tageslosung
Die Herrnhuter Tageslosung
Hausgottesdienst am 3. Sonntag nach Ostern, den 03.Mai 2020
von Pfarrer Jochen-M. Spengler
Albinoni - Oboe Concerto No. 2 in D minor- Allegro e non presto
Liebe Gemeinde,
herzlich willkommen zum Hausgottesdienst für Sonntag, den 3. Mai.
Ich freue mich, dass Sie mitfeiern - oder einfach nur einmal hereinschauen.
Der heutige Hausgottesdienst ist für mich vorerst der letzte, den ich für Sie gestalte. Am nächsten Sonntag wird das meine Kollegin übernehmen - und am 17.05. werde ich das erste Mal seit zwei Monaten wieder einen Gottesdienst in unserer Kirche halten.
Darauf freue ich mich sehr, auch wenn ich noch nicht so genau weiß, wie das werden wird.
Denn:
In diesen Corona-Zeiten müssen wir bis auf weiteres eine ganze Reihe von Schutzmaßnahmen ergreifen, die die Gestalt unserer Gottesdienste spürbar beeinflussen werden:
Nur fünfundzwanzig Personen dürfen an dem Gottesdienst teilnehmen, die Besucherinnen und Besucher müssen am Eingang namentlich erfasst- und die Adressen notiert werden, Mund-Nasenschutz ist verpflichtend - und: gesungen werden darf - zumindest in den evangelischen Kirchen - erst einmal nicht.
Und gerade das finde ich sehr schade.
Aber dennoch können wir uns wieder treffen - bis nach den Sommerferien übrigens ausschließlich in unserer Buchschlager Kirche. Und das ist schön!
Je nachdem, wie viele sich für unsere live-Gottesdienste interessieren werden, werden wir möglicherweise zwei Gottesdienste je Sonntag anbieten. Die Ansprachen der Gottesdienste werden auch weiterhin auf unserer Homepage zu finden sein, so dass auch die, die erst einmal lieber zu Hause bleiben möchten, Gelegenheit haben teilzuhaben.
So, und nun wünsche ich Ihnen einen gesegneten Hausgottesdienst - und überhaupt alles, alles Gute in dieser belastenden Zeit!
Ich grüße Sie herzlich!
Ihr Jochen Spengler
Wir feiern unseren Hausgottesdienst:

Im Namen Gottes, der Quelle unseres Lebens, die uns gibt, was wir zum Leben brauchen.
Im Namen Jesu Christi, unseres Freundes und Bruders, durch den uns Gott etwas von seinem Wesen und seiner Liebe zu uns Menschen gezeigt hat.
Und im Namen des heiligen Geistes, einer Kraft, die uns an schönen Tagen glücklich macht - und an traurigen Tagen die Zuversicht nicht verlieren lässt. Amen.

Wir lesen Verse aus Psalm 121:

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,
und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.
Der Herr behütet dich;
der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche
noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte dich vor allem Übel,
er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit!
Lasst uns beten!

Gott, wir danken dir dafür, dass wir jetzt Hausgottesdienst feiern können - wann auch immer und wo auch immer.
Und wir vertrauen darauf, dass du jetzt ganz nah bei uns bist. -
Ja, Gott, die Zeit, in der wir auf die Sicherheit und Geborgenheit unseres früheren normalen Alltags verzichten müssen, wird mir jetzt schon lang, ja, manchmal zu lang.
Und dabei weiß ich, dass noch viel Geduld von Nöten sein wird, bis unser Alltag wieder zu einem Zuhause wird, in dem wir uns frei bewegen und immer wieder unbeschwert fröhlich sein können.
Und so bitten wir dich: Gib uns auch weiterhin Geduld und Besonnenheit, lass uns spüren, dass du bei uns bist - und lass uns glücklich sein über die kleinen Geschenke, die uns auch diese Zeit schenkt.
Auf dich, Gott, trauen wir.
Du bist unser Gott.
Unser Los liegt in deinen Händen. Amen.

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht Gott.
Stille Zeit
Ansprache Pfarrer Jochen-M. Spengler
Text zur Ansprache zum Mit-/Nachlesen:

Liebe Gemeinde,
auch nach etwa zwei Monaten, in denen wir massiv mit den Auswirkungen der Coronaepedemie zu tun haben, ist vieles in unserem Alltag noch nicht wieder so, wie es einmal war.
Und wahrscheinlich wird das auch noch eine lange Zeit so bleiben, bis irgendwann eine neue Wirklichkeit für uns zum Alltag werden wird, eine Wirklichkeit, in der wir uns dann auch wieder zu Hause und geborgen fühlen werden.
Auch das Volk Israel hat in seiner Geschichte Phasen erlebt, in denen sogar für Jahre und Jahrzehnte nichts mehr war wie vorher. Dabei denke ich allem voran an die Zeit des sog. Babylonischen Exils, in der große Teile der Bevölkerung für fast sechzig Jahre aus der Heimat nach Babylon verschleppt worden war. Das war im sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt.
Ich möchte Ihnen nun eine Geschichte vortragen, die ich zu einem Predigttext verfasst habe, der in diese Zeit des Exils hineinspricht. Eine Filmproduktion steht dabei im Mittelpunkt - und gelegentlich bietet diese Geschichte auch Anlässe zum Schmunzeln. Das war von mir so beabsichtigt.
Ich hoffe, dass diese Erzählung uns ein bisschen Mut machen kann in dieser Zeit, in der wir auch irgendwie verschleppt worden sind aus dem, was wir noch vor einigen Wochen als Normalität erlebt - und gelebt haben.
Und für all die, die bisher noch nicht dazu gekommen sind, ins mittlerweile wieder sehr beliebte Autokino zu fahren, könnte diese Ansprache wenigstens ein bisschen zum Kinoerlebnis werden.
Es geht los: Film ab!

„Gott hat uns verlassen“, sagt Judit traurig.
Oder war das gar nicht traurig, wie sie das sagte, sondern viel mehr gleichgültig und teilnahmslos?
Jedenfalls schweigt sie eine Weile.
Und auch die Frau, die neben ihr auf dem kleinen Mäuerchen sitzt, schweigt.
Sie heißt Rebecca.
Plötzlich lacht Rebecca hell auf, nicht übermäßig laut, aber richtig fröhlich klingt sie. Sie gibt ihrer Freundin mit ihrem Ellenbogen einen kleinen Stoß in die Rippen:
„Du alte Pessimistin“, sagt sie mit einem Gesicht, in dem der Mund schmunzelt, während sich die Stirn vorwurfsvoll in Falten legt. „Immer musst Du alles so schwarz sehen.“
Sie legt den Arm um ihre Freundin und zieht sie ein wenig zu sich heran.
„Gott hat uns gar nicht verlassen. Im Gegenteil: Er ist da. Er ist jeden Tag da. Ich kann das richtig spüren.“
Judit reagiert nicht.
Nach einer Weile neigt sie dann aber doch ihren Kopf zur Seite und legt ihn ihrer Freundin auf die Schulter.
„Ich beneide Dich!“, flüstert sie. -

Tom Nossak klatscht in die Hände und ruft: „Stopp!“
Die Cutterin hält den Film an.
„Also ich finde diese Szene absolut überzeugend“, sagt Tom - er ist der Regisseur dieses Films. „Die Gefühle der beiden kann man ja richtig greifen. Doch, das ist sehr gut gespielt, für Laiendarstellerinnen wirklich eine super Leistung!“ -
„An der Kleidung müsste man noch etwas ändern“, meint Rüdiger Langstein. Er ist der Produzent des Films und hat natürlich immer noch etwas auszusetzen.
„Doch wirklich“, insistiert er, „Du musst bedenken, dass die damals Deportierten ja überwiegend zur Jerusalemer Oberschicht gehörten, und dafür kommen mir die Gewänder etwas zu armselig vor.“
Tom verteidigt sich. „Die sind schon seit einigen Jahrzehnten im Exil, da dürfte auch die Garderobe etwas gelitten haben“, entgegnet er gereizt.
„Und trotzdem bleibe ich dabei“, lässt sich Rüdiger nicht beirren, „die halbzerfetzten Kleider setzen einen falschen Akzent. Es war ja nicht die materielle Armut, die den Israeliten in Babylon am meisten zu schaffen machte, sondern es war die seelische Not: kein Tempel, keine Hoffnung, kein Fortschritt, keine Perspektive. Ein Gefühl der völligen Gottverlassenheit. Das wollen wir den Zuschauern dieses Films rüberbringen. Also, dreht das noch mal - mit etwas anständigeren Klamotten. So vom Dialog her war’s in Ordnung.“
Tom macht sich eine Notiz. Er sitzt am kürzeren Hebel. Er ist nur angestellt. „Man muss auch nachgeben können“, denkt er zerknirscht, „sogar diesem aufgeblasenen Oberlehrer!“
„Doris fahr’ weiter!“, fordert er die Cutterin auf, die bis jetzt noch einigermaßen gelangweilt an ihrem Schneidetisch sitzt.
Sie drückt auf: Play. -
Die Kamera schwenkt über einen nicht allzu großen aber sehr trocken und staubig wirkenden Platz, an dessen Rändern rundherum kleine Steinhäuschen stehen. In denen wohnen ausnahmslos Israeliten, Babylonier gibt’s hier nicht. Die wohnen woanders.
Einerseits vermittelt das Leben in dieser Siedlung schon dann und wann das Gefühl von Heimat fern der wirklichen Heimat - andererseits hat sich der Virus der Hoffnungslosigkeit in dieser Kolonie so fest eingenistet, dass alle insgeheim auf Heilung von außen hoffen.
Aber wer sollte da kommen?
Die Kamera verweilt bei einem der Häuschen, das Objektiv zoomt den Hauseingang langsam heran. Man sieht einen älteren Mann, der gerade das Haus verlässt. Er dreht sich nach ein paar Schritten noch einmal um und winkt fröhlich dem Ehepaar zu, das jetzt auf der Schwelle ihres Hauses steht. Die beiden wirken verunsichert.
Der ältere Mann geht gemächlich weiter, dann dreht er sich ein letztes Mal um, zeigt auf den Himmel, nickt zwei, dreimal bekräftigend und geht dann endgültig.
Die Augen des Ehepaares suchen den Punkt, wo der Mann hingedeutet hatte.
Ihre Blicke verlieren sich in der endlosen Weite des tiefblauen Himmels. Ein Wunderwerk schießt es beiden gleichzeitig in den Kopf. Wer so etwas geschaffen hat, hat wirklich alle Macht der Welt. Ja, da hatte er sicher recht gehabt, der Unbekannte. Aber ob deshalb mit einer Rettung zu rechnen ist, können sie nur schwer glauben.
Sie ziehen sich in ihr Haus zurück, ein dunkelgrauer, leicht fleckiger Vorhang ver-sperrt nun den Blick in den Eingang.
Der ältere Mann, der Unbekannte, wie ihn das Ehepaar genannt hatte, ist auf der Mitte des Platzes angekommen. Er wendet sich nach allen Seiten und sieht die bei-den Frauen, die auf dem Mäuerchen sitzen. Schnurstracks geht er auf sie zu.
Etwas schneller, als es der Zuschauer oder die Zuschauerin erwarten würde.
Viel zu dicht bleibt er vor Judith und Rebecca stehen.
Die beiden schauen leicht irritiert zu ihn hoch.
„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott“, flötet er in merkwürdig hohem Diskant.
Dann senkt er seine Stimme ein wenig, sagt Schalom - und beginnt von Neuem, diesmal in etwas angenehmerem Tonfall:
[Text: Jes 40,1-11]
„Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden.
Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden;
denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat’s geredet.
Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“

„Stopp!“ - hier unterbricht der Regisseur erneut.
„Zehn Takes haben wir gebraucht, bis wir das so im Kasten hatten. Die anderen Versionen waren noch viel schlimmer. Der Jesaja ist, mit Verlaub, eine schauspielerische Niete. Ich habe ihm sogar Markierungen auf den Boden gemacht, dass er nicht zu nah an die Frauen herangeht. Er rafft es einfach nicht. Und mit seiner Stimme kann der bestenfalls komische Szenen spielen. Ich weiß wirklich nicht, was wir machen sollen.“
„Aber immerhin steuert er zwanzigtausend zur Produktion bei - das ist kein Pappenstiel“, erinnert Rüdiger Langstein. „Und außerdem: Ich weiß gar nicht, was Du hast! Ich finde es sehr authentisch, wie er das ‘rüberbringt. Du darfst dir unter einem Propheten nicht immer so einen Übermenschen vorstellen, der mit donnerndem Bass seine Botschaft unter die Leute bringt. Nein, die Propheten waren oft genug selber verunsichert, ängstlich und zögerlich - vielleicht manchmal sogar tapsig. Das spielt der Schmidt grandios, wenn Du mich fragst!“
„Der spielt nicht, der ist so!“, kontert Tom.
„Na und? Dann ist er eben so. Ich weiß nicht, wo das Problem liegt. Wir lassen die Szene so.
Außerdem wirst Du zugeben müssen, dass er die Sequenz mit dem Fingerzeig zum Himmel phantastisch hinbekommen hat. Das ist doch die Theologie des Deuterojesaja in Reinkultur: Mit dem Hinweis auf die Schöpfermacht den Exilierten neue Hoffnung auf ein mächtiges Eingreifen ihres Gottes geben. Das hat der Schmidt mit sparsamer Gestik glänzend dargestellt.“
„Vielleicht könnten wir den Schmidt durch einen kleinen technischen Trick ein paar Zentimeter von den Damen wegrücken“, schaltet sich Doris ins Gespräch ein. Sie ist Fachfrau bei der Bildschirmbearbeitung und würde ihr Wissen jetzt gern zur Verfügung stellen.
„Keinen Zentimeter rücken wir den weg!“, bestimmt der Chef barsch. „Der Jesaja bleibt, wo er ist. Er wollte seinen Zuhörerinnen und Zuhörern ja ganz nahe kommen mit seiner Trostbotschaft. Warum sollte das nicht auch optisch seinen Ausdruck finden?
Weiter im Text, wir schauen uns jetzt die letzte Szene an!“
„Er hätte sich ja auch gleich bei den beiden auf den Schoß setzen können, der Stümper“, nuschelt Tom. Dann hört er, wie die Filmspule wieder anläuft.
Den nächsten Film mache ich alleine, denkt er sich, ohne den Langstein! Langstein, was das schon für ein Name ist! -
Man sieht nun, wie Judit und Rebecca auf die Rede Jesajas reagieren:
Rebecca lacht und Judit schaut völlig verdutzt drein.
„Ja, wer bis denn Du?“, fragt Rebecca und reicht dem Fremden die Hand zum Gruß. Beim Händeschütteln schiebt sie ihn fast unmerklich ein kleines Stückchen nach hinten.
„Ich bin ...“, hier zögert der Darsteller einen Moment. Will er etwa Herr Schmidt sagen? Er räuspert sich.
„Ich bin ein Prophet und möchte Euch in Gottes Namen Mut machen. Gott hat Euch nicht vergessen. Er sagt zu Euch: Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott und sonst keiner mehr.“
„Danke“, sagt Rebecca.
Sie überlegt einen Augenblick lang.
„Schön hast Du gesprochen. Es tut gut, das zu hören.
Am besten hat mir das gefallen, was Du von dem Wort Gottes gesagt hast. Das habe ich noch fast wörtlich im Kopf:
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Ja, es ist wirklich so vieles verdorrt und verwelkt in all den Jahren, die wir jetzt schon hier im Exil gefangen sitzen. Viele unserer Bräuche sind im Laufe der Zeit auf der Strecke geblieben, und die Erinnerung an so manch schöne Gewohnheit aus der alten Heimat verblasst immer mehr.
Und dennoch brennt in meinem Herzen das Feuer der Hoffnung auf Gottes Hilfe. Ich weiß, dass Gott uns nicht verlassen hat.
Auch wenn ich hier keinen Tempel habe, auch wenn Zion, Jerusalem, unendlich weit weg erscheint, so ist Gott doch bei mir. Jeden Tag.
Und sein Wort, seine Verheißung, gibt mir Kraft, Ruhe und Zuversicht. Da können auch die vielen Jahre, in denen es äußerlich betrachtet eher bergab als bergauf ging überhaupt nichts ändern.
Ja, vieles ist verdorrt und verwelkt. Das stimmt. Aber meine Liebe ist nicht verdorrt und verwelkt.
Im Gegenteil: Jeden Tag bekommt sie Sonne, Luft und frisches Wasser - und blüht und gedeiht.“
Rebecca lächelt.
„Ja, auch Du, Judit, bist für meine Liebe immer wieder Sonne, Luft und Wasser - selbst wenn du mit deinem Missmut, deinem Pessimismus und vor allem durch deine ständige Zweiflerei, eher als dunkle Wolke daherkommst!“
Hier erntet Judit wieder einen Rippenstoß, im schlimmsten Fall auf die selbe Stelle wie vorhin.
Trotzdem lacht sie, ein bisschen verlegen ist sie.
Auch sie reicht dem Fremden die Hand.
„Schalom!“, sagt sie, „Jachweh Eluhenu, Jachweh Ächad!“
Und das heißt: Der Herr ist unser Gott, der Herr allein.
Sonst sagt sie nichts.
Herr Schmidt wartet noch ein wenig, dann setzt er sich neben die beiden Frauen auf das Mäuerchen.
Alle drei schauen gedankenverloren auf den staubigen Platz.
Die Kamera schließt langsam ihr Objektiv.
Die Musik des Nachspanns erfüllt den Schneideraum: Ein fröhliches Lied mit Gitarre, Flöte und einer hellen Frauenstimme.
Doris lässt die Musik bis zum Ende laufen, dann spult sie das Band zurück.
Außer dem Schnarren der Maschine ist nichts zu hören. Dann ist es still.
„Und?“, sagt Tom Nossak.
„Was und?“, sagt Rüdiger Langstein.
„Ja, was meinst Du. Können wir das so lassen?“
„Ich denke schon. Erst hatte ich ja die Befürchtung, als ich das Drehbuch gelesen habe, dass die Geschichte ein bisschen, wie soll ich sagen, ins Konstatierende kippt. Dogmatisch halt, fast fromm - besonders die Rebecca. Aber ich muss schon sagen: Was kann besser überzeugen als ein offenes Bekenntnis. Das wird auch bei den Zuschauerinnen und Zuschauer Anklang finden.“
„Aber der Schmidt, sei doch ’mal ehrlich“, grantelt Tom, „der lässt die ganze Angelegenheit ins Banale abgleiten. Den müssen wir noch umbesetzen. Geld hin, Geld her.“
Ehe sich Langstein äußern kann, fängt Doris an, laut zu denken. Keiner hat sie gefragt.
„Also, mir geht’s jetzt richtig gut. Ich weiß auch nicht wieso. Vielleicht deswegen:
Ich lebe ja auch gewissermaßen im Exil. Eine Familie habe ich nicht, durch den Umzug wegen dem neuen Job hier habe ich auch meinen Freundeskreis verloren - ich bin viel allein.
Bei mir ist auch vieles verdorrt und verwelkt, könnte man sagen.
Und dennoch geht es mir ähnlich wie der Rebecca: Auch in mir gibt es ein Feuer im Herzen, eine Sehnsucht nach Liebe und nach Nach-Hause-Kommen, eine Hoffnung, dass auch für mich wieder bessere Zeiten anbrechen werden.
Nein: Religiös bin ich an und für sich nicht. Warum eigentlich nicht?
Oder ist diese Sehnsucht etwa Glaube - und das Feuer in meinem Herzen eine Kraft Gottes? Ich weiß es nicht. Gerne würde ich Rebecca - oder wegen mir auch den Schmidt - fragen, was sie dazu meinen. Aber das sind ja nur Laienschauspieler.“
Tom Nossak und Rüdiger Langstein sind still.
Sie denken nach.
Nossak ist begeistert über die Wirkung seines Filmes, es ist eben doch eine Qualitätsarbeit geworden - bei allem Dilettantismus der Darsteller. Was er nicht weiß: Gottes Wort kann sich sogar ohne die fachkundige Unterstützung eines Regisseurs den Weg in die Herzen der Menschen bahnen.
Langstein ist bei dem Begriff Exil hängengeblieben. Ja, es stimmt: Es gibt auch heute vielfältige Formen des Exils - und die haben oft gar nichts mit geographischer Ferne zu tun.
Wie oft bin ich mit meiner Seele in meinem Leben schon in einer Exilssituation gewesen denkt er: Ihm fällt sein langer Krankenhausaufenthalt ein, die Zeit der Arbeitslosigkeit nach dem Studium - ja, auch die Zeit, in der er mit sich und seinem Leben furchtbar unzufrieden gewesen und zu sich seinen Freunden unausstehlich war.
Feuer im Herzen - eine Kraft Gottes - Rettung aus dem Exil?
„Wir Christinnen und Christen leben ja heutzutage in unserer Gesellschaft auch gleichsam im Exil,“ sagt er, „und das in vielfacher Hinsicht. - Ich sage Euch: Der Film ist hochaktuell.“
Alle nicken, alle schweigen.
„Und das Wort Gottes ist es auch“, sagt dann noch einer: „hochaktuell.“
Amen.
Lasst uns beten!

Gott,
wir danken dir:
Du hast in unsere Herzen die Hoffnung gesät, der Same ist aufgegangen - und es ist eine Pflanze entstanden, die tief in unserem Herzen wurzelt.
Krisenzeiten, Stürme des Lebens, Zeiten des inneren Exils, Phasen der Dürre, Überschwemmungen oder was auch immer schaffen es nicht diese wunderbare Pflanze aus unserem Herzen zu reißen.
Sie ist es, die uns die Kraft gibt, Belastungen auszuhalten, die erst einmal fast untragbar erschienen.
Dafür sind wir dir sehr dankbar. -
Gott, heute bitten wir dich ganz besonders für all die Menschen, die in ihrer Not die Hoffnungspflanze ihres Herzens nicht mehr wahrnehmen und spüren können: ob sie nun krank sind, traurig und verzweifelt, einsam oder in ständiger Angst.
Lass uns ihnen helfen: Nicht mit zu großen Worten oder gar mit billigem Trost, sondern mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen.
Dazu gib uns deinen Geist.
Und wir bitten für die Menschen, deren Hoffnungspflänzchen durch ihre Lebensumstände vielleicht seit jeher zu wenig Luft, Licht und Wasser bekommen hat. Wir möchten so gerne ihre Hoffnung stärken, damit sie mit mehr Zuversicht voranschreiten können.


In unserem stillen Gebet können wir dir, Gott, all das anvertrauen, was uns auf dem Herzen liegt…
Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
EG 171 - Bewahre uns Gott ...
1. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, / sei mit uns auf unsern Wegen. / Sei Quelle und Brot in Wüstennot, / sei um uns mit deinem Segen, / sei Quelle und Brot in Wüstennot, / sei um uns mit deinem Segen.
2. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, / sei mit uns in allem Leiden. / Voll Wärme und Licht im Angesicht, / sei nahe in schweren Zeiten, / voll Wärme und Licht im Angesicht, / sei nahe in schweren Zeiten.
3. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, / sei mit uns vor allem Bösen. / Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft, / sei in uns, uns zu erlösen, / sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft, / sei in uns, uns zu erlösen.
4. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, / sei mit uns durch deinen Segen. / Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, / sei um uns auf unsern Wegen, / dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, / sei um uns auf unsern Wegen.
Wir bitten um Gottes Segen!
Gott segne uns und behüte uns;
Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns
und sei uns gnädig;
Gott erhebe sein Angesicht auf uns
und gebe uns Frieden. Amen.