Tageslosung
Die Herrnhuter Tageslosung
Hausgottesdienst am 3. Sonntag nach Epiphanias, den 24.01.2021

von Pfarrer Jochen-M. Spengler
Concerto in D minor nach Alessandro Marcello, BWV 974: II. Adagio
Liebe Gemeinde, ich begrüße Sie herzlich zu unserem heutigen Hausgottesdienst am 3. Sonntag nach Epiphanias.
Wie geht es Ihnen?
Ich hoffe, dass Sie einigermaßen gesund sind und wünsche mir, dass ihre Seele immer wieder Anlässe hat, sich zu freuen, zu lächeln - oder immerhin zu schmunzeln.
So ganz leicht fällt das meiner Seele derzeit nicht, denn die Corona Krise hat bei manchen Fenstern meines Herzen und meiner Seele immer noch die Rollläden heruntergezogen, sodass ich keinen Ausblick auf den hellen und warmen Sonnenschein habe, den Gott uns hinter diesen Rollläden auch jetzt schenkt.
Aber ich weiß, dass man diese Rollläden hochziehen kann, dass ich das kann - und wenn ich es nicht schaffe, wird das jemand anderes für mich tun:
Ein Freund oder eine Freundin - vielleicht Gott selber.
Oder Gott schickt mir einfach nur die Zeit, die das dann übernehmen wird.
Ich bin in dieser Hinsicht voller Hoffnung! -
In unserem heutigen Hausgottesdienst wird es um ein eher weniger bekanntes Buch der Bibel gehen, das ich allerdings zur Lektüre jedem und jeder ans Herz legen kann.
Lassen Sie sich überraschen! -
Bevor ich Ihnen nun einen schönen und gesegneten Sonntag wünsche, hier noch eine wichtige Information: Im Juni wird ein neuer Kirchenvorstand gewählt.
Alle Information zur Wahl und auch die Präsentation unserer Kandidatinnen finden Sie in Kürze ausführlich hier auf unserer Homepage - schauen Sie doch bitte ab und zu einmal vorbei!
So, und jetzt ist es mit meinem Wunsch soweit:
Schön möge Ihr Sonntag werden - und besonders! Tun Sie doch einfach einmal irgend etwas, was Sie heute beim Aufstehen noch gar nicht für möglich gehalten haben - und sei es nur eine Kleinigkeit, die Ihnen gut tut.
Ich kann mir vorstellen, dass sich Gott mit Ihnen und Ihrem Sonntag freuen wird!

Herzliche Grüße
Ihr Pfarrer Jochen-M. Spengler

Wir feiern unseren Hausgottesdienst:
Im Namen Gottes, der Quelle unseres Lebens, die uns gibt, was wir zum Leben brauchen.
Im Namen Jesu Christi, unserem Freund und Bruder, durch den uns Gott etwas von seinem Wesen und seiner Liebe zu uns Menschen gezeigt hat.
Und im Namen des heiligen Geistes, einer Kraft, die uns in Gemeinschaft zusammenhält und an schönen Tagen so richtig glücklich macht - und an traurigen Tagen die Zuversicht nicht verlieren lässt. Amen.

Wir lesen den bekannten Psalm 23:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Lasst uns beten!
Gott,
es ist schön, dass wir jetzt nah und aufmerksam bei dir sein können in diesem Hausgottesdienst. Wir bitten dich:
Wirf du heute mit uns den sog. „zweiten Blick“ auf unser Leben, auf die Entscheidungssituationen und Weichenstellungen unseres Lebens - und lies du mit uns zwischen den Zeilen der Geschichte unseres Lebens.
Denn da bist du Gott gewiss zu finden. Amen.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,
Trauungen habe ich nicht gerade viele. Das war schon vor der Corona Pandemie so und hat sich durch die Krise noch zugespitzt.
Im Jahr 2020 hatte ich gerade einmal einen einzigen Traugottesdienst, und den natürlich unter strenger Beachtung aller Maßnahmen des Gesundheitsschutzes wie Maske tragen, Hände desinfizieren, Abstand halten - und einer Personenobergrenze von fünfzig Personen in unserer Buchschlager Kirche.
Und dennoch habe ich diesen Gottesdienst sehr genossen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sympathisch mir das Brautpaar war, seine Familien ebenso - und auch wenn wir nicht zusammen singen durften, so haben meine Lieder zur Gitarre doch für einen festlich-fröhlichen Rahmen sorgen können.
Das hoffe ich wenigstens.
Besonders gefallen hat mir übrigens, dass die Hochzeitsfeier dann abends in Marburg stattgefunden hat, in einem Lokal, das ich als Student gelegentlich besucht habe. Es ist wunderbar gelegen direkt unterhalb des Landgrafenschlosses, und man hat von der Terrasse einen herrlichen Ausblick über Marburg, meinen Geburtstort, und auf das ganze Lahntal.
Ich war zwar zur Feier eingeladen, habe aber abgesagt, weil ich am nächsten Morgen Gottesdienst zu halten hatte. Aber abends schwelgten meine Frau und ich in Buchschlag im Garten in Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit in Marburg, wo wir uns kennengelernt- und auch geheiratet haben. Das war schön. -
Die Amtshandlung oder „Kasualie“ Trauung, hat sich im Laufe meiner fast dreißig Jahre im Pfarrdienst sehr verändert, was für die anderen Kasualien ebenfalls gilt, nämlich Taufen, Konfirmationen und Beerdigungen.
Das Wort Kasualie kommt übrigens aus dem Lateinischen und stammt von dem Wort „casus“ ab, das mit „Fall, Vorfall, Gelegenheit“ übersetzt werden kann. Anders als die regelmäßigen Amtshandlungen wie die Sonntagsgottesdienste beziehen sich Kasualgottesdienste also sozusagen auf gottesdienstliche Spezial-Fälle.
Mit diesem Wissen ausgerüstet, liebe Gemeinde, können Sie sich jetzt jederzeit als Kandidat oder Kandidatin in einer Quizshow bewerben!
Wie haben sich die Kasualien im Laufe der Zeit geändert?
Insgesamt kann ich sagen, dass ein weit höherer Aufwand betrieben wird - in fast jeder Hinsicht, und ich als Pfarrer muss gelegentlich aufpassen, dass ein Kasualgottesdienst nicht zu einem Event wird, in dem kaum noch Platz ist für Gottes Wort für ein Brautpaar, eine Tauffamilie - oder auch an eine Trauergemeinde.
Denn es ist doch Gottes Wort, weswegen es die Kasualgottesdienste gibt, die frohe Botschaft von seiner Liebe zu uns Menschenkindern, seiner treuen Freundschaft zu einem Paar, das sich entschließt zu heiraten, einem Kind und seinen Eltern, die zur Taufe kommen und auch zu traurigen Angehörigen, die den Verlust eines geliebten Menschen bitter beweinen.
Wenn es nicht Gottes Wort und sein Segen wäre, weshalb Menschen sich an Wendepunkten ihres Lebens gezielt an die Kirche und ihre Pfarrerinnen und Pfarrer wenden, dann könnte man es ja auch bei privaten Feiern belassen, bei denen gepflegte Tischreden gehalten werden, die sicher oft geistreich sind, gelegentlich vielleicht sogar fromm - aber eben keine Ansprachen in einer Kirche an einem Altar und sozusagen im Angesicht Gottes.
Und um die geht es den Menschen vor allem, die sich an mich wenden, daneben natürlich auch um die Musik und andere gestalterische Elemente eines Gottesdienstes.
Vor den Kasualgottesdiensten, liebe Gemeinde, müssen die sog. Kasualgespräche geführt werden, in denen das Kennenlernen, Planung des Gottesdienstes und Informationen darüber, was Taufe, Trauung und Beerdigung theologisch bedeuten, im Mittelpunkt stehen.
Bei Konfirmationen ist das etwas anders, da ist all das in das Konfirmandenjahr integriert.
So wie ich mich gelegentlich vor Arztbesuchen vorher im Internet informiere, welche Erkrankung es sein könnte, die mich beeinträchtigt, so bereiten sich mittlerweile viele Menschen auf die Kasualgespräche gründlich vor.
Ich freue mich darüber, denn es zeigt mir doch, wie wichtig die Gottesdienstinhalte den Brautpaaren und Tauffamilien sind - und den Trauerfamilien ebenso.
Manchmal allerdings merke ich schon bald, dass Google kein Theologiestudium und keine praktisch theologische Ausbildung ersetzen kann - nebenbei bemerkt auch kein Medizinstudium, auch wenn ich mich meinen Ärztinnen und Ärzten nach meiner Googelei natürlich am liebsten als Fachmann präsentiere, über was sie meistens gnädig hinwegsehen.
Und auch ich lasse mein jeweiliges Gegenüber vor allem meine Freude über die intensive Beschäftigung mit dem Gottesdienst spüren - beispielsweise was die Auswahl von Tauf-, Trau- oder Beerdigungssprüchen betrifft - und weniger meine Zweifel an Sinn und Nutzen. Denn das wäre ja hochmütig.
So versuche ich also, die Dinge so fröhlich und humorvoll es geht in die richtige Richtung zu dirigieren.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel:
Ein Brautpaar kommt zu mir und legt schon bald einen Zettel auf den Tisch, auf dem sein Trauspruchwunsch ausgedruckt ist.
Und da steht:
„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.
Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.“ -
„Wie schön“, sage ich dann erst einmal ganz spontan und denke mir, dass hier ein Paar anlässlich seiner kirchlichen Trauung vor Gott, vor der Festgemeinde und vor sich selbst ein kraftvolles Zeichen setzen will.
„Wie sind Sie denn ausgerechnet auf diesen Vers gekommen“, frage ich dann vielleicht nach und höre, dass unter Trauspruch.de eine schöne Auswahl an Versen präsentiert wird - biblische und solche aus der Literatur.
„Wir nehmen einen biblischen“, schmunzele ich dann und füge hinzu, dass es natürlich auch ganz wunderbare Verse außerhalb der Bibel zu finden gibt. Bei einer kirchlichen Trauung müssten wir aber einen Text aus der Bibel nehmen.
„Und einen solchen haben Sie ja auch gefunden!“ sage ich sodann und zeige auf die weltbekannten Worte aus dem Buch Rut, die auf dem Tisch liegen.
Das Paar atmet erleichtert auf und meint die Trauspruchhürde schon übersprungen zu haben.
Aber noch ist es nicht so weit, denn ich halte es für unumgänglich, das Brautpaar über den Zusammenhang zu informieren, in dem ihre Wunschverse stehen.
Und so lege ich los:
„Diese Sätze sagt übrigens eine junge Frau zu ihrer Schwiegermutter. Diese Schwiegermutter ist Ausländerin und hat vor nicht allzu langer Zeit ihren Mann verloren, der gestorben ist. Und vor kurzem sind auch ihre beiden Söhne gestorben, von denen einer mit eben dieser Schwiegertochter verheiratet war.
So sind nun alle drei Frauen Witwen - die Schwiegermutter und ihre beiden Schwiegertöchter.
Die ältere Frau, sie heißt Noomi, möchte nach all dem zurück in ihr Heimatland, nach Juda, und dort nach Bethlehem, woher sie stammt. Die Schwiegertöchter wollen sie begleiten, auch wenn sie wissen, dass sie in Bethlehem nicht gerade begeistert aufgenommen werden dürften, denn sie sind Moabiterinnen, Angehörige des Volkes Moab, mit dem Israel böse verfeindet ist.
Eine der Schwiegertöchter dreht dann auch auf halbem Wege um und geht auf Drängen ihrer Schwiegermutter nach Hause. Rut aber, die andere Schwiegertochter, lässt sich nicht abschütteln, sondern bleibt an der Seite von Noomi.
Und sie sagt diese wunderbaren Sätze zu ihrer Schwiegermutter, die Sie sich, liebes Brautpaar als Trauspruch ausgesucht haben. Und ich finde: einen umfassenderen, tiefgreifenderen Treueschwur als den von Rut ihrer Schwiegermutter gegenüber gibt es in der gesamten Bibel nicht!“
Dann, liebe Gemeinde, ist es gelegentlich erst einmal still, denn das Brautpaar überlegt sich nun - durch meine Hintergrundinformationen ein bisschen aufgeschreckt - ob sie bei ihrer Wahl bleiben wollen: einem Schwiegertochtergelöbnis mit Migrationshintergrund sozusagen.
„Müssen Sie das alles in ihrer Ansprache erzählen?“ fragt mich dann einer von den Brautleuten kleinlaut, und ich muss nicht lange nachdenken, um zu antworten.
„Nein“, sage ich, „das muss ich nicht - und das werde ich auch nicht. Aber ich dachte, Sie sollten wissen, um was es geht. Denn dieses Gelöbnis ist ja noch unbedingter, noch gewaltiger, weil es nicht von einem Liebespaar abgelegt wird, sondern von einer Schwiegertochter auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft mit ihrer Schwiegermutter in einem fremden Land.
Wenn Sie beide Ihre Ehe unter ein solches Bekenntnis stellen möchten, dann kann ich Ihnen nur gratulieren. Dieses Bekenntnis ist eben eines, das nicht nur die Schönwettertage einer Beziehung im Blick hat, sondern auch mit Regen, mit Sturm und Gegenwind rechnet. Und auch für all diese Tage gilt:
Nur der Tod wird uns beide trennen können!“ -
Ich wüsste nicht, liebe Gemeinde, dass ein einziges Brautpaar je von dem nicht allzu selten gewählten Trauspruch aus dem Buch Rut abgerückt wäre, nachdem ich über den Zusammenhang informiert habe.
Und das ist ja auch gut so - und spricht für sich.
Und der Zusammenhang ist ja auch sehr anrührend.
Ich werde Ihnen gleich die ganze Geschichte von Noomi und Rut erzählen und Ihnen dabei natürlich auch nicht vorenthalten, dass es schließlich ein gutes Ende für beide gab.
Zunächst lese ich den Predigttext für den heutigen Sonntag in Gänze.
Er steht im Buch Rut im ersten Kapitel, die Verse 10 bis 19a. Und da steht:


[Text: Rut 1,1-19a]
Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen.
Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort.
Und Elimelech, Noomis Mann, starb, und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen.
Die nahmen sich moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Rut. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten,
starben auch die beiden, Machlon und Kiljon. Und die Frau blieb zurück ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann.
Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass der Herr sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte.
Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren,
sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der Herr tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt.
Der Herr gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten
und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen.
Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten?
Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einem Mann zu gehören. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung!, und diese Nacht einem Mann gehörte und Söhne gebären würde,
wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch einschließen und keinem Mann gehören? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des Herrn Hand hat mich getroffen.
Da erhoben sie ihre Stimme und weinten noch mehr. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter [zum Abschied], Rut aber ließ nicht von ihr.
Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach.
Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.
Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.
Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließ sie ab, ihr zuzureden. So gingen die beiden miteinander, bis sie nach Bethlehem kamen.

Eine Gänsehaut bekomme ich, liebe Gemeinde, wenn ich diese Worte lese und mir vorstelle, mit welcher bedingungslosen Treue Rut ihrer Schwiegermutter folgt.
In eine ungewisse Zukunft - aber eine Zukunft, die für beide zum Segen wird.
Ich habe Ihnen ja versprochen, Ihnen die ganze Geschichte zu berichten, die das alttestamentliche Buch mit dem Namen „Rut“ in seinen vier Kapitel erzählt - vor allem wie sie ausgeht. Und das möchte ich jetzt tun:
Noomi und Rut gelangen nach Bethlehem, den Heimatort Noomis.
Dort erregt ihr Erscheinen erst einmal großes Aufsehen, denn die Einwohner fragen sich, ob die eine Frau tatsächlich die ihnen bekannte Noomi ist, die nun zurückgekehrt ist.
In wenigen Worten schildert diese nun, wie es ihr ergangen ist, und dass sie Mann und zwei Söhne verloren hat.
Noomi und ihre ausländische Schwiegertochter müssen nun zusehen, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen, denn soziale Sicherungssysteme, wie wir sie heute kennen, gab es damals nicht. Es ging also ums Überleben. Rut macht sich nun aufs geratewohl auf und begibt sich zu einem Feld, auf dem gerade geerntet wird.
Die sog. Schnitter schneiden das Getreide ab - und hinter den Schnittern läuft Rut und liest die heruntergefallenen Ähren auf, um sie bei den Knechten abzuliefern.
Schließlich kommt der Besitzer des Acker und sieht die fremde Frau. Er ist ein verwandter von Noomis verstorbenem Mann und heißt Boas.
Boas findet Gefallen an der fleißigen und bescheidenen Rut und reiht sie unter seine Mägde ein. Ja, sie darf sogar beim gemeinsamen Essen dabei sein - und das als Ausländerin - und einiges von dem, was sie aufgesammelt hat, darf sie mit nach Hause nehmen.
Rut erzählt ihrer Schwiegermutter, was sie erlebt hat. Diese kennt Boas, weiß, dass er mit ihrem Mann verwandt ist - und hat eine Idee: Rut soll sich so schön machen wie es geht und am Abend zu Boas gehen, um sein Herz zu gewinnen.
Gesagt getan.
Und Boas ist schon bald hingerissen und will Rut zur Frau nehmen - und damit zu ihrem „Löser“ werden. Und ein Löser wird in Israel damals jemand genannt, der eine kinderlose Witwe aus ihrer Kinderlosigkeit „erlöst“ und auch die Sorge für ihren Lebensunterhalt übernimmt.
Aber Löser darf nicht jeder werden, das können nur Verwandte - und zwar in der Reihenfolge ihres Verwandtschaftsgrades. Boas steht hier nur an zweiter Stelle.
Aber da der „Erstplatzierte“ schließlich vor dem Ältestenrat sein Recht abgibt, wird Boas zum Löser und Ehemann von Rut.
Schon bald kann sich das Paar über die Geburt eines Sohnes freuen, als Obed auf die Welt kommt.
Und dieser ist der Vater Isais und der Großvater Davids.
Und David, liebe Gemeinde, ist der mächtigste König Israels, unter dessen Herrschaft das Land fast zum Großreich wurde. Dabei hatte er klein angefangen als Hirtenjunge, der allerdings schon bald durch eine ungewöhnliche Heldentat für Aufsehen sorgte.
Er brachte den Anführer der Philister, Goliath, durch einen Steinschleuderwurf zu Fall und sorgte für einen unerwarteten Sieg der Israeliten gegen die Philister, aus denen das Volk der Palästinenser hervorgegangen ist.
Aus dem Geschlecht Davids stammt auch Jesus, dessen Eltern, Maria und Joseph, anlässlich der Volkszählung von Nazareth nach Bethlehem ziehen mussten, weil Joseph „aus dem Hause und Geschlechte Davids war“ wie wir vor kurzem an Weihnachten mit den vertrauten Worten der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium hören oder lesen konnten. -
Soweit der Inhalt des Rutbuches.
Welche Botschaft wird durch diese märchenhaft wirkende Geschichte transportiert, liebe Gemeinde?
Zum ersten und ganz eindeutig, dass Treue belohnt wird - denn das verkündet uns diese Erzählung unmissverständlich.
Und sie erklärt uns auch, was Treue ist:
Treue geschieht um ihrer selbst willen und ohne egoistische Berechnungen.
Mit Belohnung konnte Rut nicht rechnen, als sie ihrer Schwiegermutter treu folgte und ihr schwor, sie bis in den Tod zu begleiten.
Sie folgte der Stimme ihres Herzens.
Und dieses Herz wäre auch glücklich- und mit sich im Reinen gewesen, wenn die große abschließende Belohnung für die Treue ausgeblieben wäre, von der die Geschichte erzählt.
Für mich, liebe Gemeinde, ist das eine beeindruckende Werbung, auch selber so oft wie möglich von Herzen treu zu sein:
Menschen gegenüber, mit denen ich es zu tun habe und zu denen ich stehen möchte - auch wenn ich dabei in Gegenwind gerate.
An Haltungen, von denen ich zutiefst überzeugt bin, möchte ich treu festhalten, selbst wenn ich merke, wie ich wackele und meine Beine zittern.
Ich will fest stehen bleiben und zu meinen Überzeugungen stehen - sei es solchen, die meinen Glauben betreffen oder solchen, die ich als Teil unserer Gesellschaft gewonnen habe.
Schließlich möchte ich in größter Bescheidenheit auch Gott meine Treue schwören, für dessen Liebe und Freundschaft ich zutiefst dankbar bin!
Und ich weiß doch zugleich, dass ein solch großer Schwur schnell zu einem Petrusbekenntnis werden kann, dass sich in Luft auflöst, ehe im Morgengrauen ein Hahn kräht. Ich möchte es aber dennoch wenigstens mit ganzem Herzens versuchen. -
Die zweite bedeutende Botschaft des Rut-Buches, liebe Gemeinde, ist für mich, dass Gott da ist und unsere Lebensgeschichte teilt - auch wenn von ihm gar nicht ausdrücklich die Rede ist.
So ist das nämlich im Zusammenhang von Rut und Noomi und ihrer Geschichte der Fall: Gott kommt sozusagen nur „zwischen den Zeilen“ vor.
Und dennoch habe ich als Leser den Eindruck, dass Gott von Anfang an die handelnden Personen begleitet:
Ich stelle mir vor, wie er tröstet, als Noomi ihren Mann verliert.
In Gedanken sehe ich ihn Tränen abwischen, als die beiden Söhne Noomis sterben und eine Mutter zwei Kinder verliert und zwei Frauen ihre Ehemänner.
Ich spüre förmlich, wie Gott Rut darin bestärkt, ihrer Schwiegermutter zu folgen und ihr unbedingte Treue zu versprechen.
Ich sehe, wie er das Herz von Boas weit macht und ihn zum Helfer, Löser und Erlöser für Rut und auch Noomi macht.
Und schließlich habe ich den Eindruck, dass es ihm möglicherweise nicht wenig Freude macht, dass Rut zur Stammmutter von David wird und somit auch von Jesus - ausgerechnet Rut, eine Frau aus dem Land Moab, mit dem Israel so oft zerstritten war und Kriege führte. -
Liebe Gemeinde, ich bin niemand, der davon ausgeht, dass die Geschicke von uns Menschen von Gott vorherbestimmt sind, und wir sozusagen als Marionetten durch das Leben geführt werden.
Gott hat uns einen freien Willen gegeben, mit dem wir Entscheidungen unseres Lebens autonom und eigenverantwortlich fällen können.
Und dennoch habe ich für mich den Eindruck, dass Gott sich nicht selten fast unbemerkt und mit großem Feingefühl in die Entscheidungsprozesse meines Lebens eingeschaltet hat. Meistens habe ich das erst hinterher festgestellt - ja, manchmal erst nach vielen Jahren.
Aber dann wurde es mir ziemlich klar: Gott hat an der Geschichte meines Lebens sehr einflussreich mitgewebt - und dafür bin ich ihm von Herzen dankbar.
Überlegen Sie doch einmal, liebe Gemeinde, ob es Weichenstellungen in ihrem Leben gegeben hat, bei denen Gott mitgewirkt hat - oder ihre autonome und freie Entscheidung mit seinem Segen gestärkt und gefestigt hat!
Mir jedenfalls fallen für mein Leben einige ein.
Aber dazu muss ich, wie gesagt, zwischen den Zeilen der Geschichte meines Lebens lesen, denn da hält sich Gott, mein Freund, meistens verborgen.
Amen.

Und die Liebe Gottes, die größer ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Du bist heilig, du bringst Heil (EG+ 52)
Lasst uns beten!

Gott,
wir danken dir dafür, dass du dich in unser Leben einschaltest und die Geschichte unseres Lebens mitschreibst.
Deine Worte stehen oft nur zwischen den Zeilen unserer Geschichte, aber - das wissen wir ja auch aus anderen Zusammenhängen - das sind nicht selten die wichtigen Worte:
Worte, die uns Treue ans Herz legen,
Worte, die uns um Vergebung bitten lassen und uns bereit machen, auch selber zu vergeben -
und Worte, die die Liebe in uns stark machen:
die Liebe zu anderen Menschen, auch wenn sie uns vielleicht erst einmal fremd und schwierig vorkommen,
die Liebe zu uns selbst, auch wenn wir manchmal mit uns gar nicht einverstanden sind - und die Liebe zu dir Gott, einem Freund und mächtigen Herrscher, der sich nicht in den Vordergrund spielt und die Oberfläche unseres Lebens bestimmt, sondern in der Tiefe unseres Herzens und unserer Seele als Helfer und Heiland, als Löser und Erlöser und als treuer Freund auf uns wartet. -
Gott, wir bitten dich heute besonders für all die Menschen, die unter der Last leiden, alles allein und selbständig in ihrem Leben schaffen und regeln zu müssen. Sende zu ihnen Helferinnen und Helfer - und wecke in ihnen die Sehnsucht nach dir, Gott als Ratgeber und Freund.
Und wir bitten auch für die Menschen, die davon ausgehen, dass du Gott, oder das Schicksal ihr Leben allein bestimmen. Lass uns in ihnen die Freude daran wecken, das eigene Leben auch immer wieder fröhlich selbst in die Hand zu nehmen.

In unserem stillen Gebet können wir dir, Gott, jetzt all das anvertrauen, was uns auf dem Herzen liegt - und wir können an all die Menschen denken, denen es gegenwärtig nicht gut geht, die in einer Notlage sind und Trost und Hilfe brauchen…
Wir bitten um Gottes Segen!

Der Herr segne uns und behüte uns;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns
und sei uns gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf uns
und gebe uns Frieden. Amen.
Verleih uns Frieden gnädiglich (Version: Matthias Nagel - EG+ 142)